Marseille/Kosice. . Die Bilanz für 2013 fällt höchst unterschiedlich aus: Das französische Marseille, das ein Budget von 90 Millionen Euro zur Verfügung hatte, steht glänzend da. Dem slowakischen Košice hingegen, das nur über einen Bruchteil dessen verfügen konnte, werfen viele vor, eine Chance verpasst zu haben
Die Bilanz der beiden Europäischen Kulturhauptstädte 2013 Marseille und Kosice fällt höchst unterschiedlich aus. Die südfranzösische Metropole zählte über 800 Events und 7,3 Millionen Besucher.
Im ost-slowakischen Košice an der Grenze zu Ungarn dagegen hat man sich bereits Anfang Dezember aus dem Kulturhauptstadt-Jahr verabschiedet, ohne Besucherzahlen zu nennen – in der Hoffnung, dass die neu gegründeten Tanz-, Musik- und Kunstfestivals in den nächsten Jahren irgendwie fortgesetzt werden.
In Marseille sei „die Resonanz außerordentlich gut“ gewesen, aber als künstlerische Leiter des Kulturhauptstadtprogramms kann Ulrich Fuchs das wohl auch kaum anders sehen. Der 62-Jährige gebürtige Bayer beruft sich dabei nicht nur auf die Zahlen, sondern auch auf Erfahrung, schließlich hat er 2009 bereits Linz das Kulturhauptstadtjahr im österreichicschen Linz gestaltet.
Die Abschluss-Ausstellung des Kulturhauptstadtjahrs „Le Corbusier kehrt nach Marseille zurück“ stößt beim Publikum immer noch auf großes Interesse. Sie wird im J1 gezeigt, einem ehemaligen Schiffhangar, der zum Ausstellungszentrum umfunktioniert wurde.
Höhepunkt des Jahres war allerdings die Eröffnung des spektakulären Museums für Zivilisationen Europas und des Mittelmeers (MuCEM) im Juni; das Haus hat mittlerweile 1,6 Millionen Besucher (!) gezählt. Die größte Gruppe unter den ausländischen Touristen (26 Prozent) kam übrigens aus Deutschland. Zum Kulturhauptstadtjahr wurde auch ein Ableger des Goethe-Instituts wiedereröffnet, das 1998 in Marseille geschlossen worden war.
Einer der größten Erfolge sei jedoch das Regionalkonzept gewesen, hebt Fuchs hervor. Die Region zwischen Marseille und dem mehr als 90 Kilometer entfernten Arles, deren Städte politisch den gegensätzlichsten Strömungen angehören (vom kommunistischen Aubagne über dem sozialistischen Istres bis hin zum rechtsgerichteten Aix-en-Provence), sei geeint worden. Etwa durch einen gemeinsamen Transportpass für Nutzer von Bussen und Bahnen.
Auch wirtschaftlich war der Titel für die Region profitabel. Arles etwas habe 50 Prozent mehr Touristen gezählt als ein Jahr zuvor. Was bleiben wird? „Die städtebaulichen Veränderungen. Neue Museen sind entstanden und bestehende wurden renoviert.“ Derzeit arbeite man auch an einer Kunstbiennale als Fortsetzung, damit der Elan nicht nachlasse und die Mäzene bei der Stange blieben.
Nicht wenige sehen in Košice eine vertane Chance
Im Falle von Košice, das nur einen winzigen Bruchteil des 90-Millionen-Euro-Budgets von Marseille ausgeben konnte, sprechen nicht wenige Beobachter von einer vertanen Chance und davon, dass man „viel zu bescheiden“ aufgetreten sei, wie etwa Guido Glania, der Geschäftsführer der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer, die Anstrengungen wertet.
Die Organisatoren sind trotzdem frohgemut, für sie war die vor drei Wochen beendete Abschlusszeremonie „ein kleiner Schlusspunkt nach einem großen Anfang, der Beginn von etwas, das erst noch kommt“.
Mit wenig Geld habe man etwa im Projekt „Spots“ über die ganze Stadt verstreute, stillgelegte Fernwärme-Verteilerstationen in bleibende lokale Kulturzentren für die einzelnen Stadtviertel umgewandelt. Man holte diverse illustre Künstler wie die britische Band „Jamiroquai“ (zur Eröffnung) oder den polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki.
Zu den nachhaltigsten Projekten gehört auch eines mit deutscher Unterstützung: die Digitale Stadtbibliothek Kaschau, wie die Stadt auf Deutsch heißt. Der in München beheimatete Verein „Digitales Forum Mittel- und Osteuropa“ verfolgt das Ziel, historische Druckwerke multiethnischer Kulturlandschaften zu digitalisieren und über das Internet erreichbar zu machen.
Kosice / Kaschau sei dafür ein Musterfall, erklärt der Mitorganisator Jan Schrastetter. Schließlich sei die Stadt im 13. Jahrhundert aus der Verschmelzung einer slawischen mit einer deutschen Siedlung hervorgegangen und von Slowaken, Deutschen, Ungarn, Katholiken, Protestanten, Juden, Griechisch-Katholischen und anderen geprägt worden.
Was aus all den neu entstandenen Flächen für Kunstausstellungen wie dem alten Schwimmbad oder der alten Kaserne aus der k.u.k. Zeit werden, fragt der Schriftsteller Dušan Šimko. Seine Antwort: „Ich fürchte, dass diese Gebäude zweckentfremdet werden zu einer Shoppingmall oder zu Büroflächen.“