Paris/Marseille. Marseille ist im vergangenen Jahr mit Gewalttaten in de Schlagzeilen geraten. 2013 ist die südfranzösische Hafenstadt nun Kulturhauptstadt Europas und zeigt eine ganz andere Seite. Kulturelle Veranstaltungen sollen zwei Millionen Touristen zusätzlich in die Region ziehen.

Kämpfe zwischen Drogenbanden, Überfälle mit Kalaschnikows, Tote auf offener Straße: Marseille schaffte es im vergangenen Jahr oft mit Gewalttaten in die Schlagzeilen. Doch ab dem kommenden Wochenende soll die südfranzösische Hafenstadt zusammen mit der Region Provence vor allem durch Kulturereignisse von sich reden machen. Marseille-Provence wird nämlich zusammen mit dem slowakischen Kosice europäische Kulturhauptstadt 2013. "Der Ruf ist eine Herausforderung", sagt der stellvertretende Intendant von "MP 2013", der gebürtige Oberpfälzer Ulrich Fuchs. Marseille wolle zeigen, dass es nicht nur aus Drogen und Banden bestehe. "Wenn Sie nicht vorhaben, Drogen zu kaufen oder zu verkaufen, ist Marseille so sicher wie Frankfurt", wirbt der Kulturmanager für seinen derzeitigen Wohnsitz.

Die Organisatoren hoffen, dass Marseille und die Region, zu der auch Städte wie Arles und Aix-en-Provence gehören, dieses Jahr zwei Millionen Touristen zusätzlich anziehen. Geboten werden nach der Eröffnung am Samstag rund 900 Veranstaltungen in den etwa 80 beteiligten Städten.

Eröffnung des Fernwanderwegs einer der Höhepunkte

Für Fuchs ist einer der Höhepunkte im März die Eröffnung des Fernwanderwegs GR2013, der die Region auf 360 Kilometern durchquert. Im Mai und Juni ist es dann das Projekt Transhumance, das den früheren Bremer Hochschullehrer begeistert. Hunderte Reiter und tausende Tiere aus Südfrankreich sowie aus Italien und Marokko durchqueren drei Wochen lang die Provence, bevor sie am 9. Juni in Marseille einziehen. "Dieses Projekt fußt auf lokalen Traditionen", sagt der 61-Jährige, sind doch auch die einheimischen Schafherden und die weißen Pferde aus der Camargue dabei.

Der studierte Germanist, der bereits stellvertretender Intendant der Kulturhauptstadt Linz 2009 war, setzt im Programm auch deutsche Akzente. So wird am 26. Januar in Marseille der Erinnerungsparcours "Ici même" eingeweiht, der ähnlich wie die Stolpersteine in Deutschland durch Spuren im Boden an die deutsche Besatzung erinnern soll. Mit zum Kulturhauptstadtprojekt gehört auch die erst im vergangenen September eröffnete Gedenkstätte Les Milles zwischen Marseille und Aix-en-Provence. In der ehemaligen Ziegelei waren während des Zweiten Weltkriegs deutsche Flüchtlinge wie Max Ernst oder Lion Feuchtwanger interniert. Ab 1942 wurden von dort aus Juden nach Auschwitz deportiert.

Retrospektive über Architekten Le Corbusier

"Marseille-Provence 2013 wird nicht das brave Kind der Kultur sein, sondern der wilde Schöpfer vieler Kulturen", kündigt der Vorsitzende des Kulturhauptstadtjahres, Jacques Pfister, im Vorwort zum Programm an. Doch neben Transhumance und anderen ungewöhnlichen Veranstaltungen gibt es auch klassische Kulturereignisse wie eine Retrospektive zum Werk des Architekten Le Corbusier im Oktober und November. Daneben zeigt die Region natürlich in Ausstellungen "ihre" Künstler wie Paul Cézanne, der in Aix-en-Provence geboren und gestorben ist, oder Vincent van Gogh, der in Arles gelebt und gearbeitet hat.

680 Millionen floßen in die kulturelle Infrastruktur

Stolz ist die mehr als 2000 Jahre alte Hafenstadt auch auf ihre neuen Gebäude, die im Zuge des Kulturjahres eingeweiht werden. So reist der französische Präsident François Hollande gleich zweimal für das neue Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers (MuCem) an: am Samstag weiht er zunächst das Gebäude am alten Hafen ein, Anfang Juni dann auch das Innere mit den Ausstellungen. Zweites großes Bauprojekt ist das Kulturzentrum Villa Mediterranée ebenfalls direkt am Wasser, das im März in der 800.000-Einwohner-Stadt eröffnet wird. Insgesamt 680 Millionen Euro flossen in die kulturelle Infrastruktur, 90 Millionen Euro in die Kulturprojekte. Und auf eines ist Vize-Intendant Fuchs besonders stolz: 15 Millionen davon stammen aus privatem Sponsoring - "damit sind wir Europameister". (Die Kulturhauptstadt im Internet unter www.mp2013.fr) (dapd)