Essen. . Wenn Bestseller-Autor Sebastian Fitzek sich einen neuen Thriller ausdenkt, gruselt es ihn selbst. Ein Gespräch über dunkle Seiten, Selbst-Therapien - und eine Selbst-Vermarktung, die seinem neuen Thriller „Noah“ nun einen eigenen Soundtrack beschert hat.

Seit sieben Jahren schreibt Sebastian Fitzek Psychothriller, die vor Schreck starren, vor Blut triefen – und sich weltweit bisher sieben Millionen Mal vekauften. Mit Britta Heidemann sprach der 42-Jährige über die Grusel-Lust seiner Leser, eigene Ängste – und den Soundtrack zu seinem neuen Werk „Noah“, das am Freitag erscheint.

Herr Fitzek, warum schreiben Sie nicht schöne Liebesromane oder erheiternde Detektivkrimis?

Sebastian Fitzek: Ich glaube, dass jeder Mensch dunkle Seiten in sich hat. Die Mehrheit lebt das aus, indem sie hin und wieder solche Geschichten liest – und eine Minderheit, indem sie solche Geschichten schreibt. Warum machen wir es uns mit Axtmördern und andere Psychopathen daheim gemütlich? Für mich persönlich ist das eine Möglichkeit, bestimmte Dinge zu verarbeiten. Ich bin schon in jungen Jahren verdorben worden: Mein Vater hat mir Geschichten von Edgar Allen Poe vorgelesen (lacht).

Eigentlich wollten Sie aber mal Schlagzeuger werden, oder?

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Fitzek: Stimmt – gemessen an den Plänen, die ich im Leben hatte, bin ich kein sehr erfolgreicher Mensch! Ich wollte auch mal Tennisspieler werden, aber bin über die ersten Turniere nicht hinausgekommen. Als das mit der Schlagzeuger-Karriere nicht geklappt hat, dachte ich, ich könnte in der Plattenindustrie arbeiten – deshalb habe ich Jura studiert. Aber dann habe ich beim Radio volontiert. Dass ich Autor werde, das war so nicht geplant.

Haben Sie nicht manchmal selbst Angst beim Schreiben?

Fitzek: Beim Schreiben nicht, aber vorher! Ich strukturiere immer das ganze Buch durch – auch wenn hinterher die Figuren machen, was sie wollen. Bei diesen Vorüberlegungen läuft ein Film vor meinem geistigen Auge ab, und der kann dann schon mal sehr gruselig sein. Beim Schreiben selbst belastet mich das dann nicht mehr so. Für mich ist das eher eine Art Therapie, in der die schrecklichen Bilder dann etwas abgemildert werden.

Haben Sie je selbst Erfahrung mit Gewalt gemacht?

Fitzek: Nein, aber mit psychischen Erkrankungen. Seit ich 13 bin und intensiv Musik mache, bin ich viel mit kreativen Menschen zusammen. Und das ist nicht nur ein Klischee, sondern auch wahr: Die Grenze zwischen einem Exzentriker und einem leicht verwirrten Menschen ist doch sehr fließend. Mein Interesse an psychologischen Untiefen hat mich vermutlich auf dieses Genre gebracht.

Sie haben inzwischen drei kleine Kinder – ändert das etwas?

Fitzek: Es hat zu einer Phase geführt, in der die Bücher sogar noch etwas härter wurden. Weil natürlich die Verlustängste und Sorgen, die vorher nur theoretisch waren, jetzt größer geworden sind.

Es gibt ja in Ihren Fanshop sogar T-Shirts für Kinder – aber ab welchem Alter sind denn Ihre Bücher überhaupt zu empfehlen?

Fitzek: „Abgeschnitten“ würde ich erst ab 16 empfehlen, ein Buch wie „Therapie“ oder auch das neue Buch, „Noah“ ab 14. Ich bin durchaus ein Verfechter dafür, dass es eine FSK-Einschätzung auch für Bücher geben sollte, damit die Buchhändler einen Maßstab haben. Ich glaube, dass die Bilder im Kopf, die beim Lesen entstehen, nicht weniger schädlich sind als die Bilder in Computerspielen oder Filmen. Wichtig ist, dass das Kind die Möglichkeit hat, mit seinen Eltern über dieses Buch zu reden.

Sie haben nicht nur besagten Fanshop, sondern sind auch auf Facebook sehr aktiv – muss man heute als Autor solche Selbstvermarktung betreiben?

Fitzek: Schaut man sich die Anzahl meiner Posts an, dann sind das vielleicht so ein, zwei die Woche – also gar nicht so viele. Als ich vor vier Jahren damit anfing, habe ich das gar nicht als Marketing-Tool gesehen. Und heute habe ich 64.000 Fans. Ich sehe mit als Unterhalter, ich unterhalte durch meine Bücher, meine Lesungen und eben auch durch Facebook. Dass ich gestern bei meinem englischen Verlag war, das poste ich eben nicht, weil es reine Selbstbeweihräucherung ist und für meine Fans keinen Wert hat.

Und der Fanshop?

Fitzek: Klar, das ist Marketing. Da hatten Fans die Idee, die sich selbst T-Shirts gedruckt haben. Jetzt machen das zwei Leser – ich bin beteiligt, aber die organisieren das Ganze.

Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass ihre Lesereise zu „Noah“ von einer Band begleitet wird – wie ist denn das entstanden?

Fitzek: Als mein Verlag mir zum ersten Mal sagte, ich soll Lesungen halten – da hatte ich ein ganz schlechtes Gewissen. Da zahlen die Leute zwölf Euro Eintritt, dabei kostet das Buch selbst nur 9,99 Euro. Ich dachte: Da muss ich denen mehr bieten! So fing das an, dass ich auf der Bühne auch etwas erzählt habe, später kamen Videos dazu. Einmal, als es im Buch um eine Geiselnahme ging, da hat sich ein SEK-Team von der Bühne abgeseilt. Und jetzt dachte ich eben, warum gibt es eigentlich Soundtracks nur zu Filmen und nicht zu Büchern? Ein guter Bekannter aus der Branche hat nun also die Musik zum Buch komponiert – und das Ergebnis werden wir dann auch live zeigen. Das wird eine richtige Konzertreise, mit Tourbus und allem.

In „Noah“ geht es um die Überbevölkerung – wussten Sie, dass auch Dan Brown sich dies zum Thema gemacht hat?

Fitzek: Nein, obwohl wir ja beim gleichen Verlag sind, aber die wussten das auch erst drei Wochen vorher. Es gibt ja auch ein Sachbuch, Stephen Emmotts „Zehn Milliarden“. Manche Themen liegen eben in der Luft… Die Idee kam mir, als ich in einem Radiobeitrag mit halbem Ohr etwas über Schimmelpilze hörte, die als Parasiten an Bäumen leben. Und die letztlich den Wirt, also den Baum, töten – und damit auch sich selbst. Ich dachte, das ist ein passendes Bild für den Menschen und die Welt. Aus diesem Gedanken heraus ist das Buch entstanden.

Wenn Sie einen Satz hätten – was ist Ihre Botschaft?

Fitzek: Also… (lacht) Nur ein Satz?

Na gut – zwei!

Fitzek: Wir müssen unser Handeln überprüfen und hinterfragen. Was wir am Ende zerstören, sind wir selbst – aber die Erde kommt danach auch ohne uns ganz gut zurecht.