Berlin. Schauspieler Ben Becker ist mal wieder im Fernsehen zu sehen. In „Der Tiger” veralbert er sein Rüpelimage. Dabei hat er schon mit 20 Shakespeare gespielt. Bei "Der Landarzt" flog er dagegen raus: "da wurde ich denen irgendwann zu anarchistisch, so dass die mich rausgeschrieben haben".
Er ist eine der schillerndsten Figuren des deutschen Films, und 2007 wurde Ben Becker (44) seine Schwäche fürs exzessive Feiern fast zum Verhängnis: Der Schauspieler brach nach den Konsum harter Drogen zusammen, musste wiederbelebt werden und war wochenlang in einer Reha-Anstalt.
Im Fernsehen war Becker zuletzt selten zu sehen, doch nun darf er in der Tragikomödie „Der Tiger oder Was Frauen lieben!“ (Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD) sein Rüpelimage veralbern: Herbert Knaup spielt in dem Film den linkischen Lektor Franz, dem seine Frau im Sterben beichtet, dass sie ihn betrogen hat – offenbar mit einem großspurigen Rotlichtkönig namens Tiger (Ben Becker).
Mit Ihrer Show „Die Bibel“ feiern Sie Erfolge, im August spielen Sie bei den Salzburger Festspielen den Tod im „Jedermann“, jetzt spielen Sie in „Der Tiger“ mit – haben Sie Ihr Interesse an den existenziellen Themen entdeckt?
Becker: Die Leute interpretieren das bei mir gerne rein, dann heißt es: Jetzt nähert sich der Becker den ganz großen Themen. Aber ich habe schon mit Ende 20 Shakespeare auf der Bühne gegeben, auch im Kinofilm „Schlafes Bruder“ ging es um Leben, Tod und Liebe, und die großen Themen reizen mich auch privat schon seit langem. Ich habe schon immer alles sehr ernst genommen, auch früher die leichteren Sachen. Vor 20 Jahren habe ich ja in „Der Landarzt“ mitgespielt, aber da wurde ich denen irgendwann zu anarchistisch, so dass die mich rausgeschrieben haben. #
Selten auf der Mattscheibe
Im Fernsehen hat man Sie in letzter Zeit eher selten gesehen. Warum?
Becker: Man bietet mir gar nicht mehr so vieles an, weil sich die Leute sagen: Der hat eh keine Lust, der will was anderes. Wenn man zwei-, dreimal Rollen absagt, wachsen da auch Berührungsängste.
Und warum lehnen Sie so vieles ab? Weil das Fernsehen so schlecht ist?
Becker: Im Fernsehen laufen halt viele Geschichten, wo ich sage: Nö, da hab ich keine Lust zu. Ich bin ja in meinem Beruf angetreten, um mich künstlerisch zu äußern, und nicht ausschließlich um Geld zu verdienen, und deshalb wird man mich in bestimmten Sachen nicht sehen. Vor einem Jahr hat man mir eine Serie angeboten, da habe ich gesagt: Tut mir leid, ich sehe mich nicht für zwei Jahre mit einer Tasse Tee als Staatsanwalt durchs Amtsgericht Tiergarten flitzen. Meine eigenen Projekte wie „Die Bibel“ sind außerdem sehr zeitaufwendig. Ich tobe mich gerne auf der Bühne aus, vom Theater kann ich leben und das macht mir großen Spaß. Ich bin beim Fernsehen aber gerne dabei, wenn jemand eine vernünftige Rolle anzubieten hat.
So was wie jetzt die Rotlichtgröße „Tiger“...
Becker: Das ist eine Rolle, wo ich gesagt habe: Die macht einfach Spaß, das muss einfach sein. Die Figur hat eine Vielschichtigkeit und dazu einen komischen, ironischen Aspekt, das hat mich gereizt. Einerseits ist der Tiger natürlich überzogen, unsympathisch, auf der anderen Seite ist er plötzlich doch sympathisch, ein Clown, dessen Fassade zerbröselt. Die Rolle bedient natürlich ein bisschen das Klischee von Ben Becker als Enfant terrible, aber wir stellen das in dem Film ja mit einem Augenzwinkern dar.
Konservative Haltung
Also ist Ihnen Ihr Image nicht völlig egal, die negativen Schlagzeilen, die es immer wieder gab?
Becker: Nein, das würde ich mir selber nicht glauben, wenn ich sagen würde, dass mir das total egal ist. Aber so weh mir die Berichterstattung in der Boulevardpresse auch oft getan hat: Ich hab' da jetzt ein härteres Fell bekommen, ich zucke da mit den Achseln. Und mein Publikum weiß mich auch sehr genau einzuschätzen und ist mir sehr treu, deshalb spiele ich auch so gerne Theater. Wenn ich irgendwo hinkomme, ist der Laden ausverkauft, dabei ist das Publikum dann teilweise konservativer, als man denkt, weil ich ja auch als Künstler eine sehr konservative Haltung habe.
Inwiefern?
Becker: Was die Disziplin und die Ernsthaftigkeit der Arbeit angeht. Da bin ich unglaublich alte Schule, mache nichts mal eben locker vom Hocker. Ich gebe alles, und das lieben die Leute.
Kennen Sie so Typen wie die Figur des Tigers eigentlich selber? Haben Sie sich da inspirieren lassen?
Becker: Selbstverständlich kenne ich die. Wenn man in Hamburg auf der Reeperbahn Theater spielt kommt man da gar nicht drum herum. Ein langjähriger Bekannter von mir ist zum Beispiel Karl-Heinz Schwensen...
Die ehemalige Hamburger Kiez-Größe...
Becker: Genau. Außerdem war ich ja früher Sprecher beim Boxen, und da lernt man die schon alle kennen. Zwischen Kunst und Rotlichtmilieu gab es ja schon immer Verbindungen, als Künstler ist man neugierig, und die wiederum schmücken sich gerne mit Künstlern, gehen oft zu Filmpremieren. Und alles was ich da beobachtet und gesehen habe, musste in die Figur mit rein, da habe ich einmal kräftig geschüttelt – und dann kam der Tiger bei raus.
Teilweise hat man den Eindruck, dass sogar Details der Filmausstattung ganz gezielt Rotlichtgrößen zitieren...
Becker: Es gibt ein wunderbares Buch von Ebby Thust, die Biographie „Glanz und Elend“ mit ganz vielen Fotos, die hatte ich beim Drehen dabei und habe sie mit den anderen immer wieder durchgeblättert, unter anderem mit der Kostümbildnerin. Auch eine TV-Dokumentation über das Hamburger Rotlichtmilieu hatten wir im Gepäck, wir zitieren da einiges. Die Szene, in der ich als Tiger angeschossen werde, zitiert etwa das berühmte Foto von Schwensen, als er nach einem Attentat angeschossen mit der Sonnenbrille auf der Bahre liegt und das Victory-Zeichen macht.
Das Interview führte Cornelia Wystrichowski.