Düsseldorf. . Von Abgrund bürgerlicher Verhältnisse zur Kapitalismuskritik unserer Zeit. Ein spannender Theaterabend am Düsseldorfer Schauspielhaus zeigt „Nora 3“ aus der Sicht Henrik Ibsens und Elfriede Jelineks.

Sie ist eine Heldin des modernen Dramas: Ibsens „Nora“, die ihren Mann, das Puppenheim und drei Kinder verlässt, um sich zu emanzipieren, um sich selber zu verstehen. Denn Nora Helmer hatte eine Unterschrift für eine Bürgschaft gefälscht, um dem todgeweihten Torvald eine Genesung in Italien zu finanzieren. Dass der Thriller über Erpressung, Opfer, Täter und Gefühlskälte in bürgerlicher Gesellschaft immer noch Sprengkraft hat und weitergesponnen werden kann, bewies Elfriede Jelinek bereits 1979, zum 100-jährigen Jubiläum der Ibsen-Uraufführung, mit dem Fragment „Was geschah mit Nora, nachdem sie ihren Mann verlassen hatte“. Darin landete die Heldin als Arbeiterin in einer Textilfabrik.

Geschuftet wird jetzt in Fernost

Für das Düsseldorfer Schauspielhaus hat Österreichs 67-jährige Feministin und Literatur-Nobelpreisträgerin Noras Schicksal in unserer heutigen Gesellschaft jetzt fortgeschrieben – die Fabrik wird dichtgemacht, die Produktion nach Fernost verlegt. Eine wort- aber auch floskelreiche Kapitalismuskritik. Dreimal Nora also, „Nora3“. Die Uraufführung dieses Fortsetzungsdramas feierte jetzt Uraufführung in Düsseldorf mit Jubel für Schauspieler, aber auch für den tschechischen Regisseur Dusan David Parizek, der die drei Texte virtuos zu einem intensiven, zweistündigen Theatererlebnis komponierte.

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Es beginnt mit Jelineks erster Nora-Folge: Die rat- und rastlose Ibsen-Heldin bewirbt sich beim Personalchef eines Textilunternehmens, deftig, kräftig, herb und derb gespielt von Stefanie Reinsperger. Andere Mitarbeiterinnen beschimpfen sie, streiten über die Unmöglichkeit, Kinder, Haushalt und Arbeit zu vereinen. Parolen der 70er Jahre. Nora gibt sich schneidend scharf wie Jelinek selbst, der Chef (Rainer Galke) schmierig jovial. Ein satirischer Tonfall dominiert, der dem Publikum gefällt.

Auf den Kern gekürzt

Bei der Wandlung zur Ibsen-Nora steigern sich die Spannungen handfest und -greiflich, bis sie sich mit Getöse entladen. Eine starke Pranke zeigt Parizek, wenn er Ibsens Drei-Akter auf den Kern kürzt und die Tragikomödie einer Verzweifelten beleuchtet: In bester Absicht verstrickt sie sich ins Lügen-Labyrinth und droht zu ersticken.

Der Kampf geht immer weiter

Die letzten 15 Minuten „Nach Nora“, zurück in der Gegenwart. Noras Kampf geht weiter, jetzt stemmt sie sich wortreich gegen Krisen unserer Zeit. Jelineksche Kaskaden sind zu vernehmen: über westliche Textilkonzerne, die beteuern, ihre Produktionen verlagern zu müssen, über arbeitslos gewordene Näherinnen und die fatalen Auswirkungen des Diktats der Mode.

Deshalb wohl der Bezug zu Düsseldorf. Erstaunlich, wie Parizek diesen massigen Textbrocken verkürzte, verdichtete und auf die Figuren des Stücks zuschnitt. Fazit: ein packender Abend, der zum Nachdenken anregt.

Termine: 0211/ 36 99 11, duesseldorfer-schauspielhaus.de