Hagen. . Er ist ein Liebling der Klassik-Hitparaden und wie alle Stars nicht ungefährdet, dabei die Ernsthaftigkeit einzubüßen. Aber sein jüngstes Album zeigt die großen Qualitäten des Tenors Jonas Kaufmanns. Es steht ganz im Zeichen Verdis.

Otello ist die tragischste Figur der Musikgeschichte. Es gibt nur wenige Tenöre, die den emotionalen Amoklauf stimmlich und gestalterisch bewältigen können, den Verdi seinem eifersüchtigen Helden in die Kehle diktiert. Jonas Kaufmann gehört dazu: Zum 200. Geburtstag des Meisterkomponisten legt der 44-Jährige ein Album mit zwölf unsterblichen Verdi-Tenorarien vor; elf davon hat er noch nicht auf der Bühne gesungen, darunter Otellos „Dio! mi potevi“ (Jonas Kaufmann, The Verdi Album, Sony, ca. 17 Euro). Allein dieses Stück rechtfertigt die ganze Aufnahme.

Erst Wagner, nun Verdi

Denn natürlich muss man sich fragen, ob das werte Publikum nicht einfach nur gemolken werden soll, wenn ein Star wie Jonas Kaufmann in einem Jahr gleich zwei Geburtstags-Hommagen an Komponisten-Jubilare herausbringt: erst Wagner, nun Verdi. Doch beim Hören legen sich die Vorurteile vom umtriebigen Künstler mit merkantilem Schielblick. Jonas Kaufmann weiß genau, was er tut: Vom Herzog in „Rigoletto“ über Radames in „Aida“, Riccardo im „Maskenball“, Manrico im „Trovatore“ bis eben zum Otello sitzt die Stimme und stimmt die Interpretation.

Kaufmanns dunkler, baritonaler Tenor passt in der Farbe hervorragend zu Verdis gebrochenen, komplizierten Charakteren, die ja in der Regel gefährliche Männer sind. Kaufmann singt Verdi mit einer faszinierenden Mischung aus heldischem Kraftfeuerwerk und lyrischer Linienführung. Dabei geht es ihm nicht in erster Linie darum, schöne Töne zu produzieren, sondern Emotionen offenzulegen.

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Er will nicht, dass die Oper ein Zirkus ist

Diese Tugend wird ihm nicht immer gedankt. Er hat sich bereits mehrmals beklagt, wie sehr die Oper zum Zirkus verkommt, in dem es nur noch um die artistische Leistung des Sängers geht, nach dem Motto: Kriegt er das hohe C über die Ziellinie oder nicht? Als Opernkünstler verteidigt er zudem das Regietheater; ein Startenor, der lieber liest, als Fernsehen zu gucken, ist dem musikalischen Boulevard ohnehin unheimlich. Mit dem Verdi-Album bewältigt Kaufmann jedenfalls die Gratwanderung zwischen hoher Kunst und Publikums-Interesse. Und er kann zeigen, dass Verdi ein großartiger Kenner der Tenorseele ist.