Essen. . Mit Mozart und Wagner gilt er als größter Opernkomponist aller Zeiten. Seine „Traviata“ wählten selbst die Deutschen unlängst zu ihrer Lieblingsoper. Nun jährt sich der Geburtstag Giuseppe Verdis zum 200. Mal.
Im selben Jahr geboren zu sein, den gleichen Beruf zu haben, dazu ein Künstler äußerster Prominenz: Was hätte der ungleich erfolgreichere Giuseppe Verdi für galliges Kapital schlagen können, aus all den Parallelen zum Leben Wagners. Er ließ es, während der Sachse nicht aufhörte zu stänkern.
Wagner war ein Gegenpol seiner Kunst
Immerhin: „Ein Verrückter“, das ist Verdi nach dem Anhören der „Tannhäuser“-Ouvertüre entwichen. Altersweise übersetzt hieß das später „philosophische Musik“ – damit freilich sagt Verdi mehr über sich als über Wagner. Nein, mit Musik, die sich so sehr auf Text verließ, die Anfang nicht kannte und Ende, bei der Rhythmus und Melodie so unauffällig regierten, ja, deren schönste Stellen man nicht noch auf dem Weg nach Heim auf den Lippen führen konnte – unter solcher Musik hätte sein Initial kaum gestanden.
Operngenie, Bauer, Genießer in einer Person
Das Initial „GV“ immerhin prangte da schon als Siegel auf gepökelter Schweineschulter von Verdis riesigem Landgut. Es zählt dieses Bäuerliche bis ins Alter zu den Linien eines Lebens zwischen Weltruhm und Provinz, zwischen schäumender Wut über miese Kontrabässe („erbärmlich“, „kümmerlich“) und nicht weniger Aufmerksamkeit gegenüber guter Küche.
„Hoffen wir, dass der Mann ein ordentlicher Koch ist und keinen Furz im Kopf hat“, schreibt Verdi 1871. Jahre später verhindert nicht einmal der „Otello“, sich postalisch „90 kg assortierter langer Pasta“ zu versichern – „ich bitte um die höchste Qualität.“
Kulinarik? Da sind wir dann schon bei dem, was den einen der Gipfel uritalienischer Opernkunst ist, den anderen (viele davon waren Deutsche) „Spaghetti-Musik“, „ein Haufen Unkraut“. Leierkasten-Musikant haben sie Verdi geschimpft. Neuerern kam es verdächtig vor, dass Musik von Rang ein Ohrwurm sein durfte. Da war der Gefangenenchor aus „Nabucco“ längst Volksgut. Auch weil „Va, pensiero“ („Flieg, Gedanke“) Italiens Publikum, nach Unabhängigkeit lechzend, aus der Seele sang.
Kein getrimmtes Wunderkind
Nicht als von Kind an angestachelter Mozart aus Parma kommt Verdi im Oktober 1813 zur Welt. Der Vater hat eine klavierlose Kneipe. Es genügen Straßenmusikanten und Kirchenchoräle, das Genie zu wecken. Schon mit zehn spielt er im Nachbardorf Orgel, ebenso viele Kilometer geht er zu Fuß, um dort Dienst zu tun.
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Wie mag er darüber gedacht haben, Jahrzehnte später, als er im Geld schwamm, Bauernhöfe im halben Dutzend kaufte, sich leisten konnte, selbst Königen Kompositionswünsche abzuschlagen? Vergessen hat er die Zeiten nie. Als der Witwer, dem beide Kinder früh starben, nach langen Jahren wilder Ehe seine „Giuseppina“ heiratet, holt er sich Trauzeugen von der Straße: Kutscher, der eine, Glöckner der andere. Verdi, Gelegenheitspolitiker und Gutsherr, baut ein Krankenhaus. Und ein Altenheim für Sänger, die keiner mehr hören will. Es besteht bis heute.
Ein Erfolgskomponist, doch der Kampf mit der Zensur blieb
Verdi hat für seine Musik gekämpft, ebenso wie mit der Zensur, aber aufs Leben gesehen gab es wenige Komponisten, deren Erfolg so lange währte. Der Dreiklang von „Rigoletto“, „Troubadour“ und „Traviata“ (1851-53) schenkte ihm den Luxus, schon in der Mitte des Lebens nicht mehr aufs Komponieren angewiesen zu sein.
Das trieb die Preise: Als Verdi, bereits im Rentenalter, um die „Aida“ gebeten wird, kassiert er mit 150.000 Goldfranken das höchste Honorar, das es je für einen Kompositionsauftrag gab. „Indianermusik“ geifert Richard Strauss. Neun Jahre später schreibt er Verdi einen Bettelbrief.
Glut, heißer Theateratem, große Gefühle
Warum kann man Verdi am Ende doch nie widerstehen? Es ist eben Italien: die Glut, der heiße Theater-Atem – und vor allem eine souveräne Furchtlosigkeit, im Vertonen von Gefühlen trivial zu wirken. Die wildesten Handlungen verzeihen wir Verdi, weil er das Menschsein in Noten gefasst hat, samt Puls und Blutdruck, samt Tränen und Triumphen. Gewiss, dramatische Kulisse, Zeter und Mordio sind Effekt. Die Substanz eines „Maskenballs“ oder „Don Carlo“ aber bleiben erschütternde Seelenbilder. Erst kürzlich wurden Deutsche nach ihrer Lieblingsoper gefragt. Noch vor der „Zauberflöte“ war es „La Traviata“. Gut möglich, dass es bis zum 300. so bleibt.