Dortmund. . Dortmund inszeniert Verdis Oper mit einem großartigen Sänger-Ensemble. Die Bühne wird zur Betonfestung und kommt damit den Sängern entgegen. Durch ihre starken Stimmen gewinnt das Regiekonzept noch zusätzlich an Tiefe in “Der Troubadour“.
„Der Troubadour“ ist eine der schönsten Opern von Giuseppe Verdi und steht dennoch nicht allzu häufig auf den Spielplänen. Enrico Caruso hat den Grund auf den Punkt gebracht: Das Werk sei ganz einfach zu besetzen, man brauche nur die vier besten Sänger der Welt. Dortmund zeigt jetzt einen „Trovatore“ mit einem hervorragenden Solisten-Quartett, das nicht nur gut ist, sondern so gut aufeinander eingestimmt, dass aus einem gelungenen Abend in manchen Momenten ein magischer wird.
Entsetzliches ist geschehen, noch bevor die Geschichte beginnt. Man hat eine unschuldige Mutter als Hexe verbrannt. Und deren Tochter wirft irrtümlich ihren eigenen Sohn auf den Scheiterhaufen statt des entführten Grafenkindes. Wenn der Vorhang sich hebt, stehen sich zwei Brüder, die einander nie kennengelernt haben, als tödliche Rivalen auf dem Schlachtfeld und in der Liebe gegenüber. Die Dortmunder Hausregisseurin Katharina Thoma macht daraus eine Bürgerkriegstragödie, und was erheblich spannender ist: ein konsequentes Nachtstück, in dessen betongrauer Bühnenwüste die Alpträume gefangen bleiben, die Verdi in seine wunderbare Partitur komponiert hat.
Thronfolgestreit
Dortmunds erster Kapellmeister Lancelot Fuhry begreift, dass dem Orchester die Hauptrolle in der Erzählung zukommt, die überwiegend in Rückblenden funktioniert und deshalb auf die psychologische Unterfütterung aus dem Graben angewiesen ist. Fuhry liest die Partitur als veritables und sehr aufregendes Schauermärchen, in dem das Liebesglück nur ab und zu für Sekunden aufblühen darf, und die Dortmunder Philharmoniker folgen ihm hochkonzentriert und klangschön.
Die realhistorische Vorlage von Verdis Libretto lässt sich um das Jahr 1410 ansiedeln, als der Thronfolgestreit um Aragon zwischen den Häusern Kastilien und Urgel tobte. An dieses mittelalterliche Vorbild erinnert die Betonfestung mit ihren Zinnen ein wenig, die Bühnenbildnerin Julia Müer als sängerfreundlichen Einheitsraum gebaut hat. Das ist eine atmosphärisch sehr bildkräftige Lösung, denn dieses Kastell saugt alle Freude aus seinen Bewohnern, die eher Gefangene sind. Hass und Rachsucht quellen aus den Mauern und vergiften die Seelen. Die Liebe zwischen Leonora und Manrico hat von Anfang an nicht die geringste Chance, anders als in der Katastrophe zu enden.
Allerdings illustriert die Regisseurin das Bürgerkriegs-Thema leider bis zum Überdruss. Während die Idee reizvoll ist, beim Umbau im 3. Akt einen Trompeter mit gestopftem Instrument einen Extrakt aus dem Chor „Lasst die Kriegstrompete erschallen“ blasen zu lassen, sind die dazu eingeblendeten Fotosequenzen mit realen Bürgerkriegs-Szenen und dem Guernica-Wandbild der Holzhammer, den keiner wirklich braucht.
Hervorragender Opernchor
Die Solisten singen wacker nach vorne über die Rampe hinweg; „Il Trovatore“ mit seinen halsbrecherischen Partien ist keine Oper, in der die Regie besonders ausgefallene Konzepte der Personenführung wagen sollte. Auch die Chöre sind berüchtigt schwer zu inszenieren; Katharina Thoma löst das ganz gut, indem sie zum Beispiel das „Miserere“ von den verwundeten Guerillakriegern intonieren lässt – und der Dortmunder Opernchor beweist wieder einmal, warum er zu den besten in NRW gehört.
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Im Regiekonzept ist Graf Luna der verrohte Gewaltmensch. Doch diese Charakterisierung geht stimmlich so einseitig nicht auf, zum Glück. Denn der phantastische Bariton Sangmin Lee kann den Luna nicht nur grausam zeichnen, sondern auch als einen einsamen Mann, der an seiner unerfüllten Liebe aufrichtig leidet. Damit kommen tiefenscharfe Aspekte der Wahrhaftigkeit in die Inszenierung, die der Regie sonst abgehen.
Susanne Braunsteffer ist eine sehr junge Leonora mit wunderschönem Sopran, aber noch eher lyrisch als dramatisch. Es ist verführerisch, die Azucena klischeehaft als Racheschlampe zu interpretieren. Doch das macht die Mezzosopranistin Hermine May gerade nicht: Sie singt die Zigeunerin stimmschön als eine tragische Psychopathin. Der großartige Dortmunder Bass Wen Wei Zhang kann auch als Hauptmann Ferrando mit seiner edlen Stimme überzeugen. Stefano La Colla schließlich ist ein Tenor des italienischen Fachs, der diesen Namen verdient: er hat die glänzende Strahlkraft, er hat die Höhe, er hat das Stehvermögen - und ihm gelingen Momente berückender Innigkeit.
Karten und Termine: 0231 / 5027222 oder www.theaterdo.de