Essen. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ist tot. Er starb im Alter von 93 Jahren, wie FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher mitteilte. Als Kritiker war er geehrt und gefürchtet zugleich. Reich-Ranicki leitete viele Jahre den Literaturteil der Zeitung, wurde aber einem breiten Publikum vor allem durch das “Literarische Quartett“ im ZDF bekannt.
Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ist gestorben. Der in Polen geborene Autor wurde 93 Jahre alt. Berühmt wurde Reich-Ranicki durch die Büchersendung "Das Literarische Quartett", die zwischen 1988 und 2001 mit großem Erfolg im ZDF lief. Als Kritiker war er geehrt und gefürchtet zugleich. Seine Autobiografie mit der Schilderung der Flucht aus dem Warschauer Ghetto wurde zum Bestseller. Bis zuletzt schrieb er für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". FAZ-Mit-Herausgeber Frank Schirrmacher teilte die Nachricht via Twitter der Öffentlichkeit mit.
Hassliebe mit dem Fernsehen
"Das literarische Quartett" im ZDF, das er von 1988 bis 2001 regelmäßig moderierte, sahen Millionen Menschen. Rund 400 Bücher wurden dort besprochen - und oft zu Bestsellern gemacht. 2006 erklärte er seinen endgültigen Abschied vom "Quartett", für das er zuletzt noch einige Sondersendungen moderiert hatte.
Reich-Ranicki, der unter den Nazis nicht studieren durfte, erhielt für seine Arbeit zahlreiche Ehrungen und neun Ehrendoktorwürden - zuletzt von der Humboldt-Universität Berlin und der Universität Tel Aviv. In der israelischen Stadt wurde außerdem ein nach Reich-Ranicki benannter Lehrstuhl für deutsche Literatur eingerichtet.
Zitate von und über Marcel Reich-Ranicki
Tod seiner Frau war ein schwerer Schlag
Mit seiner um wenige Monate älteren Frau "Tosia", die ihren Mann im Warschauer Ghetto kennenlernte, war "MRR" rund sieben Jahrzehnte verheiratet. Das Paar lebte seit über 30 Jahren in Frankfurt. Der Tod seiner Frau im April 2011 war ein schwerer Schlag für Reich-Ranicki. Der einzige Sohn des Paares Andrew lehrt Mathematik an der Universität Edinburgh in Schottland.
Mit dem Fernsehen verband Reich-Ranicki eine Art Hassliebe: 2008 lehnte er vor laufenden Kameras den Deutschen Fernsehpreis ab und wetterte gegen den "täglichen Blödsinn" auf der Mattscheibe.
Marcel Reich-Ranicki sprach stets Klartext
"Die Klarheit ist die Höflichkeit des Kritikers, die Deutlichkeit seine Pflicht und Aufgabe", lautete sein Credo. Allerdings lasse sich dabei Grausamkeit "leider nicht immer ausschließen". Das bekamen viele Schriftsteller zu spüren, allen voran Günter Grass. Dessen Roman "Ein weites Feld" bescheinigte er 1995, «wertlose Prosa» zu sein, "langweilig" von der ersten bis zur letzten Zeile, unlesbar!
Auch Martin Walser und Reich-Ranicki verband eine jahrelange Fehde. Diese gipfelte 2002 in Walsers Skandalbuch "Tod eines Kritikers". Darin kommt ein jüdischer Literaturkritiker zu Tode, unschwer als "MRR" zu erkennen. Angesichts seiner dramatischen Vita, die er 1999 in seiner Bestseller-Biografie "Mein Leben" beschrieb, war seine Verletztheit verständlich.
Marcel Reich-Ranicki ist tot
Im Warschauer Ghetto gelang ihm 1943 mit seiner Frau die Flucht
Nach der Geburt in Polen siedelte der junge Marcel mit seiner jüdischen Familie nach Berlin um. Die Nazis wiesen ihn 1938 nach Polen aus. Im Warschauer Ghetto gelang ihm 1943 mit seiner Frau die Flucht. Seine Eltern und die seiner Frau kamen in den Vernichtungslagern um. 1958 kam "MRR" für immer nach Deutschland. Von 1973 bis 1988 leitete er die Literaturredaktion der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Bis heute schrieb er, seiner Krankheit zum Trotz, eine Kolumne in der FAZ. (dpa/afp/we)
Westerwelle würdigt Reich-Ranicki als "ganz Großen"
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den verstorbenen Kritiker Marcel Reich-Ranicki als eine der wichtigsten Größen der deutschen Literatur gewürdigt. "Mit Marcel Reich-Ranicki geht ein ganz Großer der deutschen Literaturkritik", sagte Westerwelle am Mittwoch in Berlin. "Seine stets klare Sprache hat über viele Jahrzehnte die Debatten in unserem Land bereichert, seine Liebe zur deutschen Literatur viele Menschen in unserem Land beflügelt. Dass er als junger Überlebender des Warschauer Ghettos Deutschland nie den Rücken gekehrt hat, werden wir Deutsche ihm nie vergessen."
Reich-Ranicki sei "eine der prägenden Persönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte" gewesen, schrieb Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) im Kurznachrichtendienst Twitter. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger schrieb über den Verstorbenen: "Ein Zeuge des letzten Jahrhunderts, ein im besten Sinn unbequemer Geist, ein großer Intellektueller." Reich-Ranicki war am Mittwoch in Frankfurt im Alter von 93 Jahren gestorben, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mitteilte.
"Mehr getan als manch Kultur-Politiker"
Der Entertainer Thomas Gottschalk (63) hat Marcel Reich-Ranicki als Persönlichkeit hervorgehoben, die mit ihrer "Literaturkritik eine Landschaft, die für viele Menschen grau ist, bunt gemacht" hat, wie Gottschalk der Nachrichtenagentur dpa mitteilte. "Er hat für Deutschland mehr getan als die meisten Kultur-Politiker. Mit seinen Memoiren hat er uns nichts vergessen, aber vieles vergeben."
Gottschalk hatte Reich-Ranicki zu einer TV-Talkshow im Oktober 2008 eingeladen, nachdem dieser den Deutschen Fernsehpreis zurückgegeben hatte. Auch diente Reich-Ranicki Gottschalk als Telefonjoker bei der Prominentenausgabe von Günther Jauchs RTL-Show "Wer wird Millionär?".
Gabriel und Steinmeier würdigen Reich-Ranicki
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat den im Alter von 93 Jahren gestorbenen Marcel Reich-Ranicki als "scharfsichtigen Kritiker" gewürdigt. Er sei "ein brillanter Literaturvermittler und eine faszinierende wie vielschichtige Persönlichkeit" gewesen, erklärte Gabriel am Mittwoch in Berlin. "Deutschland verliert einen bedeutenden Publizisten und großen Menschen. Er wird uns allen fehlen", betonte Gabriel. Das Mitgefühl gehöre den Hinterbliebenen.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier erklärte, Reich-Ranicki sei eine Institution gewesen. "Sein Tod ist ein schwerer und schmerzlicher Verlust für das kulturelle Leben in Deutschland." Er habe als Kritiker, als Publizist und Schriftsteller die literarische Kultur des Landes über mehrere Jahrzehnte geprägt wie kein zweiter. "Seine Biografie war aufs engste verknüpft mit den Irrwegen und Höhen deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert." Er sei zugleich eine moralische Instanz gewesen, "die tiefen Respekt und höchste Anerkennung bei allen Menschen in Deutschland genossen hat." (dpa)
ZDF würdigt Reich-Ranicki als unverwechselbaren Literaturkritiker
Das ZDF hat Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki als unverwechselbaren und authentischen "Herrn der Bücher" gewürdigt. "Marcel Reich-Ranicki konnte polarisieren wie wenige andere. Seinem Motto "Die Deutlichkeit ist die Höflichkeit der Kritiker" ist er immer treu geblieben", teilte ZDF-Intendant Thomas Bellut am Mittwoch in Mainz mit. Das Zweite trauere um Reich-Ranicki, der unter anderem durch die ZDF-Büchersendung "Das Literarische Quartett" bekannt war, die von 1988 bis 2001 lief. "Mit seiner deutschen, polnischen und jüdischen Biografie war er auf eine ganz außerordentliche Weise mit der Geschichte und Kultur unseres Landes verbunden", betonte Bellut.
Mit großer Betroffenheit hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels auf den Tod von Marcel Reich-Ranicki reagiert. "Marcel Reich-Ranicki hat wie kein anderer in unserem Lande der Literatur Rang und Bedeutung gegeben. Er hat dies vermocht, weil er die Literatur geliebt hat", sagte der Vorsteher des Vereins, Gottfried Honnefelder, laut einer Mitteilung. Deutschland berühmtester Literaturkritiker war am Mittwoch in Frankfurt im Alter von 93 Jahren gestorben.
Der Präsident der Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland, Josef Haslinger, hat die Bedeutung des im Alter von 93 Jahren gestorbenen Marcel Reich-Ranicki hervorgehoben. "Er war im Nachkriegsdeutschland eine zentrale Figur, nicht nur der Literaturkritik, sondern auch der literarischen Entwicklung des Landes", sagte der 58-Jährige ("Opernball") am Mittwoch. Reich-Ranicki sei es auch gelungen, in der ZDF-Sendung "Das Literarische Quartett" eine "Popularität zu erringen wie kein anderer Literaturkritiker".
Verlag ist bestürzt über Tod von Reich-Ranicki
Die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) ist bestürzt über den Tod von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. "Mit ihm verliert die Deutsche Verlags-Anstalt einen ihrer herausragendsten Autoren. Wichtiger noch: Die Welt der Literatur verliert den bedeutendsten und einflussreichsten Kritiker und Vermittler von Literatur nach 1945", teilte Verlagsleiter Thomas Rathnow am Mittwoch in München mit.
"Marcel Reich-Ranicki hat wie kein anderer mit Witz, mit Schärfe, mit Sinn für klare Urteile der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur zu breiter Beachtung verholfen." Seine Entscheidung, nach der Verfolgung durch die Nationalsozialisten trotzdem in Deutschland zu leben, sei "ein außergewöhnliches Geschenk" gewesen. Reich-Ranicki hatte unter anderem seine erfolgreiche Autobiografie "Mein Leben" bei DVA veröffentlicht. (dpa)