Düsseldorf. . Der Düsseldorfer Maler und Fotokünstler Stephan Kaluza porträtiert die eigene Zunft und das Werden von Werken – in seinem Debüt-Roman „Geh auf Magenta“, der allerdings nur einer von vieren ist, die er bereits geschrieben hat. Eine Begegnung.

Magenta, findet Bastien, ist magisch. Die Farbe seiner Traumwelten. Die Wirklichkeit hingegen ist dunkelgrau: Freundin weg, Inspiration weg – und Geld fehlt ihm auch. Denn statt Förderanträge zu schreiben (oder gar zu malen), hat er lieber die schöne Sonia nach Thailand eingeladen. Und so einen Beziehungsreigen in Gang gesetzt, der ihn unversehens allein in seinem kalten, kargen Atelier in Berlin-Mitte zurücklässt.

Das Atelier von Stephan Kaluza an der Düsseldorfer Hansaallee hingegen ist vergleichsweise üppig möbliert und sommerwarm. Drei Kronleuchter hängen über dem riesigen Tisch, ein sympathisches Sammelsurium antiker Möbel und augenzwinkernder Hirschgeweihe flankieren ein deckenhohes Bücherregal. Hier lebt und arbeitet der 49-jährige Künstler, der soeben sein Romandebüt vorgelegt hat: „Geh auf Magenta“ ist einerseits ein Künstlerroman in der Tradition des Genres, der vom Werden und Wachsen eines Werkes (sowie seines Schöpfers) erzählt. Zugleich seziert er höchst unterhaltsam das moderne Liebesleid, dem Künstlerkreise trotz des Anspruchs auf Avantgarde ebenso ausgesetzt sind wie alle. „Wenn man unglücklich verliebt ist“, sagt Kaluza, „ist der Unterschied zwischen Banker und Künstler nicht so sehr groß.“

Das moderne Liebesleid

Sein Romanheld Bastien leidet in allen klassischen Stadien, weil seine Freundin Mel mit seinem Kumpel und Mäzen Thomas auf und davon ist. Lichtblicke verheißt allein ein Online-Flirt – die schöne neue virtuelle Welt entpuppt sich dabei als eine Fährte, die in Bastiens Vergangenheit führt. Kaluzas Roman fasst die Gegenwart in rasant geschnittene Bilder. Dabei gerät ihm das Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel – der Maserati-Fahrer erwärmt sich für die Abenteuer-Urlauberin, die Laufstegschöne für den herzensguten Bergwelt-Maler – keinesfalls beliebig. Denn was die Beziehungsgeschichten eint und mit dem Künstler-Thema verbindet, ist die Sehnsucht: „das Besondere“ zu finden, in Werk und Lieben. Zugleich geht es, wie in allen Arbeiten Kaluzas, um enttäuschte Erwartungen, einen Betrug des Blickes – um Schein und Sein.

Auch interessant

Stephan Kaluza hat als Maler begonnen, wurde bekannt mit großformatigen Szenen, die hinter milchigem Glas die Augen der Betrachter narrten. Es folgten Fotoserien: den Rhein schritt er ab und fotografierte im Minutentakt, er besuchte die einstigen Stätten berühmter Schlachten und zeigte, wie sie heute aussehen – und wieder irritierten seine Bilder dadurch, dass sie nicht das zeigten, was man erwartet. Nicht die Romantik, nicht die Trauer.

Was ist Kunst? Die horrenden Preise, die auf Auktionen erzielt werden, täuschen leicht darüber hinweg, dass diese Frage kaum zu beantworten ist. „Es gibt eine Verpflichtung zur Avantgarde, ganz klar“, sagt Kaluza. Nur sei es schwer, noch etwas Neues zu schaffen: „Meistens geht es heute um neue Formalien – bis auch die alle abgerockt sind.“ Im Roman skizziert er die Galeristen-Szene in Berlin und den „Anspruch, leicht durchgeknallt zu sein“: „Dieser Kampf um das knappe Gut Aufmerksamkeit, der führt schon zu grotesken Szenen. In Berlin, da ist unheimlich viel Möchtegern. Das gibt es so in Düsseldorf nicht.“

Nun hat die Gegenwartsliteratur die Eitelkeiten und Eigenheiten der Kunstwelt durchaus aufgegriffen, von Daniel Kehlmanns Kunstkritikerverriss „Ich und Kaminski“ bis zu Silke Scheuermanns stylisher „Shanghai Performance“. Neu ist die Innenschau. Schon malende, zeichnende, aquarellierende Schriftsteller sind eine Ausnahme, bei der man von Grass über Dürrenmatt schnell zu Hesse gerät. Aber schreibende Maler, Künstler? Alfred Kubins Traumroman „Die andere Seite“ erschien vor über hundert Jahren.

Genre-Grenzen überschreiten

Die Verbindung zum Romanschreiben ist für Kaluza die Bühne. In seinen Theaterstücken finden sich Themen, die nun auch im Romandebüt durchschlagen: sexueller Missbrauch, die Macht des Geldes, das Abdriften in Wahn-Welten. Die Stücke übrigens fotografierte er ebenfalls im Minutentakt, hob so die zeitliche Narration der Dramen auf. „Es geht immer um die Bilder im Kopf“, sagt Kaluza: „Die Metiers sind doch nur Vorschläge für einen Kreativen. Alles andere fände ich falsch.“ Inzwischen hat Kaluza, aus dessen Mund das Wort Workaholic wie eine peinvolle Selbstbezichtigung klingt, nunmehr vier Romane geschrieben. Erscheinen werden sie in Joachim Unselds Talente-Schmiede, der „Frankfurter Verlagsanstalt“.

Am Ende hat Bastien seinen einen, ganz besonderen Moment gefunden – der Zweisamkeit, des Künstlerseins. Ohne magisches Magenta, aber mit Hilfe seiner Träume. Und so könnte man diesen Roman auch als Appell lesen: seiner Sehnsucht zu folgen. Auch, wenn man dabei (Genre-)Grenzen überschreitet.