Wien. Die Entrüstung über das mögliche Ende des Bachmann-Preises ist groß. Das Thema bewegt die deutschsprachige Literaturwelt. Die Zukunft des renommierten österreichischen Lesefestes bleibt ungewiss. Schriftsteller Uwe Tellkamp (“Der Turm“), der 2004 den Preis gewonnen hat, nennt die Pläne skandalös.
Die deutschsprachige Literaturwelt läuft Sturm. Seit bekannt wurde, dass der renommierte Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt ab 2014 den Sparmaßnahmen des Österreichischen Rundfunks (ORF) zum Opfer fallen könnte, hagelt es Kritik für den Sender. Allein die Diskussion darüber beschädige schon das Ansehen des Wettbewerbs, klagt die Jury in einem Offenen Brief an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.
«Wir verstehen nicht, dass eine so traditionsreiche Veranstaltung, die dem öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF ideal entspricht, also zu seinem "Kerngeschäft" gehört und seit Jahrzehnten sein Renommee als Kultursender wesentlich ausmacht, von der Geschäftsführung in Frage gestellt wird», schrieben die sieben Jurymitglieder um Sprecher Burkhard Spinnen. Sie luden den ORF-Chef zu einem Gespräch nach Klagenfurt ein: «Ökonomische Kalküle haben zweifelsohne ihre Berechtigung. Sie dürfen aber nicht in allen Lebensbereichen die Oberhand gewinnen.»
Tellkamp: "Literatur braucht Aufmerksamkeit"
Schriftsteller Uwe Tellkamp («Der Turm»), der 2004 den Preis gewonnen hat, nennt die Pläne skandalös. «Literatur braucht Aufmerksamkeit, Klagenfurt bietet sie», schrieb Tellkamp in der «Süddeutschen Zeitung». Autorin Katja Lange-Müller, selbst Preisträgerin im Jahr 1986, kritisiert das mögliche Ende als Abgesang auf die einzige Förderung, die Österreich in Sachen deutschsprachige Literatur zu bieten habe. Es wäre ein «kläglicher Imageverlust», kritisierte sie im Kulturradio vom RBB.
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«Das ist eine Veranstaltung, auf die man im Grunde stolz sein kann», sagte der Präsident des Schriftstellerverbandes PEN, Josef Haslinger, im Deutschlandradio Kultur. Quotendruck rechtfertige die Abschaffung nicht, so Haslinger. «Das ist ein erster Schritt zu griechischen Zuständen», meinte die Literaturkritikerin und Jurorin Daniela Strigl zur österreichischen Nachrichtenagentur APA.
ORF-Landesstudio Kärnten muss sparen
Die 1977 gegründeten «Tage der deutschsprachigen Literatur» werden finanziell hauptsächlich vom Landesstudio des ORF in Kärnten getragen. Die kolportierten Kosten wurden mit 350.000 Euro beziffert. ORF-Sprecher Martin Biedermann wollte keine offiziellen Angaben zur genauen Summe machen.
Die Summe könne das Landesstudio mit dem von Wien vorgegebenen Sparziel von rund einer Million Euro für 2014 jedenfalls nicht mehr stemmen, sagte die Kärntner ORF-Chefin, Karin Bernhard. Sie will mit Kooperationspartnern und Sponsoren den Wettbewerb erhalten. Der mit 25.000 Euro dotierte Bachmann-Preis selbst wird von der Stadt Klagenfurt gestiftet. Die Dotierungen anderer Auszeichnungen im Rahmen der Veranstaltung werden unter anderem von Banken und Verlagen übernommen.
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Die Kosten für den Bachmann-Preis seien angesichts von rund 100 Millionen Euro, die der ORF allein für Sportrechte 2014 zusätzlich ausgebe, «lächerlich», hieß es von der österreichischen «IG Autorinnen Autoren» und dem Österreichischen Journalisten Club.
Viel Aufmerksamkeit
ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner sieht die Entscheidung, ob es den Preis weiterhin gibt oder nicht, ganz in Kärnten: «Da mische ich mich nicht ein», sagte sie dem «Kurier». ORF-Generaldirektor Wrabetz versucht angesichts des Sturmes der Entrüstung zu beschwichtigen. Es sei «bemerkenswert», wie viel Aufmerksamkeit die drohende Einstellung erhalten habe: «Und natürlich wissen wir, dass das ein wichtiges Anliegen ist. Aber das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.»
Im Trubel der Diskussion gerät die Veranstaltung selbst in den Hintergrund. In der kommenden Woche gehen bereits zum 37. Mal 14 Autoren ins Rennen um den begehrten Preis. Am Donnerstag (4. Juli) beginnen die dreitägigen Lesungen. Die Mehrheit der Autoren kommt aus Deutschland, wie Anousch Mueller oder Philipp Schönthaler. Mit dabei ist auch Joachim Meyerhoff («Alle Toten fliegen hoch») aus dem Ensemble des Wiener Burgtheaters.
Der Wettbewerb wurde nach der aus Klagenfurt stammenden Dichterin Ingeborg Bachmann (1926-1973) benannt. Die Teilnehmer stellen unveröffentlichte Texte vor, im Anschluss debattiert eine Jury aus Autoren und Literaturkritikern live vor Saalpublikum und Fernsehkameras über die Werke. (dpa)