Essen/Klagenfurt..

Der 35. Ingeborg-Bachmann-Preis war so hart umkämpft wie schon lange nicht mehr. Nach der öffentlichen Kritik nominierte die Jury am Wörthersee sieben Titel für die Bestenliste - die sogenannte Shortlist.

Der Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt erlaubt jährlich einen tiefen Einblick in die Geister aufstrebender deutschsprachiger Autoren. 14 Schriftstellerinnen und Schriftsteller stellen sich dabei traditionell der Live-Kritik von sieben namhaften Juroren. Hart, direkt und mal mehr, mal weniger polarisierend, werden die Texte im Beisein des Saalpublikums und der 3sat-Fernsehzuschauer besprochen.

In die Endrunde – im Klagenfurter Jargon heißt das: auf die Shortlist – schafften es in diesem Jahr Nina Bußmann, Gunther Geltinger, Maja Haderlap, Thomas Klupp, Steffen Popp, Julya Rabinowich und Leif Randt. Für eine Überraschung sorgte dabei einzig die Nichtberücksichtigung von Maximilian Steinbeis, der in einem gekonnt satirischen Text die aktuelle Finanzdebatte aufgriff und mit einem Augenzwinkern vorschlug, ganze Vermögen in Gold umzutauschen und an einem sicheren Ort zu vergraben.

Dass die Preise in Klagenfurt in diesem Jahr unter Bußmann, Haderlap, Popp und Randt ausgemacht werden würden, verwunderte hingegen nicht. Allein die Reihenfolge der Auszeichnungen war bis Sonntagmittag ungewiss.

Maja Haderlap gewinnt den Bachmann-Preis

Drei Wahlgänge brauchte die Jury um Maja Haderlap zur diesjährigen Hauptpreisträgerin zu küren. Im Kessel ist ein Auszug ihres bereits am Montag erschienen Romans Engel des Vergessens. Die Geschichte erzählt von Konflikten: großen Konflikten zwischen Staaten und Armeen, kleinen Konflikten zwischen einem jungen Mädchen und ihrem Vater. Wobei das Kind, aus dessen Sicht erzählt wird, die Größe und Schwere der Konflikte nur allzu verständlich anders gewichtet. Haderlap schreibt mit starken autobiographischen Zügen über eine Kindheit im Grenzgebiet zwischen Jugoslawien und Kärnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie zeigt auf die kleinen Geschichten, sagt: „Schaut her! Im kleinen Dorf, wo die Partisanen gegen die Wehrmacht kämpften, da waren die echten Helden, sie müssen Beachtung finden.“

Ganz so klar zusammenfassen lässt sich der Text des zweitplatzierten Steffen Popp nicht. Beachtung verdient er trotzdem. Eigentlich Lyriker, bleibt Popp auch in seinem Prosa-Text „Spur einer Dorfgeschichte“ poetisch und sehr tiefgründig. Er schreibt von einem kleinen Dorf in Thüringen, das, so Popp, auf einem Berg sitzt wie ein Vampir, nachts seine Flügel ausbreitet und die umliegenden Wälder überfliegt. Das Dorf war zu DDR Zeiten ein Standort der Glasmanufaktur. Die Spurensuche, so zeigt sich, ist jedoch nicht so leicht durchschaubar wie jenes Produkt der alten Handwerkskunst. Weder für den Erzähler in der Geschichte, noch für den Leser.

Die Hildesheimer Schreibschüler

Zwei Absolventen der auf kreatives Schreiben spezialisierten Universität Hildesheim wurden ebenfalls ausgezeichnet. Leif Randt erhielt den Ernst-Willner-Preis für seinen Auszug aus „Schimmernder Dunst über CobyCounty“ – eine gesellschaftskritische Persiflage über Konsumwahn und Oberflächlichkeit. Thomas Klupp traf mit „9to5 Hardcore“ den Geschmack der Zuschauer und gewann den Publikumspreis. Ebenfalls satirisch geht es in seinem Text unter anderem dem Universitätsbetrieb an den Kragen. Klupps Protagonist arbeitet an einem Forschungsprojekt namens „Inszenierungsstrategien des Expliziten in Onlineangeboten westlicher Mainstreampornographie“ und sieht sich dafür 8 Stunden lang täglich Pornos im Dienste der Wissenschaft an.

Die Preisträgerriege wird in diesem Jahr komplettiert durch Nina Bußmann. Bußmann entwirft in ihrem 2012 bei Suhrkamp erscheinenden Roman „Große Ferien“ eine fein und subtil erzählte Geschichte über ein Schüler-Lehrer Verhältnis, das ständig ins unsittliche zu kippen droht, oder eben doch nicht?!

Enges Rennen ohne Ausreißer

Klagenfurt gab sich in diesem Jahr thematisch und stilistisch sehr heterogen. Das Feld war jedoch eng beieinander, kein Text stach besonders heraus. Dies ist nicht tragisch oder gar ein Zeichen für einen schlechten Jahrgang am Wörthersee – im Gegenteil. Die junge deutsche Literatur hat viel zu bieten. Sie bietet so viel, dass es – nicht nur beim Bachmannpreis – schwer ist, den oder die Beste(n) zu küren. Leicht ist es jedoch, die Heterogenität der deutschsprachigen zu akzeptieren – mit einem Lächeln, einem tiefen Gedanken oder einem lauten Lachen. Literatur kann Spaß machen. Der Bachmannpreis hat es wieder einmal gezeigt.