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Der Bachmann-Preis hat Gewicht in der Szene, mindestens ebenso viel wie Deutsche Buchpreis. Und doch droht das Gespenst der Inflation auch hier: der Preis-Verfall, bedingt durch eine Preis-Flut.

Die Scherze vom Betriebsausflug an den Wörthersee sind so alt wie der Bachmann-Preis selbst, also 34 Jahre: Seit 1977 schon treten Autoren lesend gegeneinander an. Seither hat die Zahl der Literaturpreise zugenommen - aber macht das Sinn?

Klagenfurt ist ein Poetry Slam deutschsprachiger Gegenwartsprosa mit größtmöglicher Medienresonanz (von Verlagen „Pressesicherheit” genannt) – und, bisher jedenfalls, mit Karrieregarantie. Sibylle Lewitscharoff, die diesmal die Eröffnungsrede hält, barg hier einst ihren ersten Schatz im Wörtersee. Auch Uwe Tellkamp, Tilman Rammstedt, Ingo Schulze, Georg Klein, Alissa Walser debütierten schon bei dieser schrägen Show namens „Deutschland sucht den Lesestar” – die lange Liste reicht zurück bis Gert Jonke.

Der Bachmann-Preis hat Gewicht in der Szene, mindestens ebenso viel wie der viel jüngere Deutsche Buchpreis, der 2005 vor allem zur Ankurbelung des darniederliegenden Literaturexports erdacht wurde. Und doch droht das Gespenst der Inflation auch hier: der Preis-Verfall, bedingt durch eine Preis-Flut.

In Deutschland gibt es mittlerweile mehr Preise und Preislein als Tage im Jahr – oder preiswürdige Autoren, was zu gewissen Häufungen zu führen scheint, einer Art Laudatio-Tourismus des hoffnungsfrohen Nachwuchses. Wenn vor lauter Auszeichnungen im Klappentext eines Buches kaum noch Platz für das Autorenfoto bleibt, darf man sich schon fragen, ob ein Schriftsteller neben all den Preisverleihungen überhaupt noch zum Schreiben kommen (vom Verfassen der Bewerbungsprosa gar nicht erst zu reden).

Und: Ist der „August Graf von Platen-Preis der Stadt Ansbach”, der „Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar” wirklich ein Karrieremotor? Darüber macht sich der Schreib-Nachwuchs ja schon selbst lustig: Das Weblog „Riesenmaschine” rechnet anhand von Plus- und Minuspunkten den Bachmann-Preisträger aus (erschreckend richtig); Pluspunkte sind „schnörkelloser Lebenslauf ohne Preise” oder „Autor hat einen Beruf außer Autor erlernt (1 Punkt) oder übt einen solchen aus (1 Punkt)”.

Tatsächlich dient das meiste, was über den Büchner-, Breitbach-, Heine-, Goethe- oder Kleist-Preis hinausgeht, oft eher der Verleiher- denn der Autoren-Förderung. 2009 nahm Tinten-Königin Cornelia Funke den „Roswitha-Preis der Stadt Gandersheim” entgegen – wer darf da stolz sein? Wer hofft da auf Öffentlichkeit und Werbung? Eben.

Preisentscheidungen wie diese führen die Idee von Literaturförderung gleich mehrfach ad absurdum: Sie dienen nicht der Orientierung im Bücherdschungel, sie stärken nicht das Selbstbewusstsein eines Nachwuchstalents, sie dienen nicht der finanziellen Absicherung eines armen Künstlers.

Sie fördern aber womöglich beim literarischen Nachwuchs etwas, was im Journalismus gerne „auf Preis schreiben” geschimpft wird – zuletzt polemisierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gegen Reportagetexte, die Prosa sein wollen und (jetzt an die eigene Nase fassen!) sich selbst verraten durch: Den Ein-Absatz-Satz.

Ähnlich bemüht erscheint manche Literaturpreisliteratur, die in Schreibstuben verfasst wird im Hinblick auf den nächsten Wettbewerb.

„Ein Preis bedeutet nicht: Da ist jemand Hervorragendes. Sondern es bedeutet: Da haben Leute jemanden ausgewählt“ , so Schriftsteller Clemens Meyer im Gespräch mit dieser Zeitung. In der Szene ist Meyer als tätowierter Kraftmeier, als Leipziger Underdog bekannt – und doch stellte sich auch sein Erfolg mit einer Auszeichnung ein: dem Preis der Leipziger Buchmesse. Nun hat er zwar einerseits seinem Verlag verboten, all seine Preise im Klappentext aufzulisten, andererseits will er das System nicht in Frage stellen: „Ich freue mich über jede Anerkennung, die mit Geld verbunden ist.“ Es gehe „um das Überleben einer Zunft“.

Das Überleben ist ein Aspekt. Das Leben, das Er-Leben aber auch. Eine gute Literaturförderung müsste sich auf die Grundvoraussetzung allen Erzählens besinnen: Erlebnis, Erfahrung, Eindruck – das bekommt man nicht in der Villa Soundso im Süden. Sondern vielleicht auf Reisen, vielleicht daheim, jedenfalls mit einer Idee, einer Überlegung im Kopf. Für Journalisten gibt es Recherche-Stipendien zuhauf. Warum nicht auch für Autoren?