Moskau. . Es ist Moskaus Konzert des Jahres: Opernstar Anna Netrebko singt auf dem Roten Platz die schönsten Verdi-Arien. Auch wenn die Sopranistin ein wenig mit den Bedingungen kämpft - das Publikum ist begeistert. Es war der erste Auftritt der russischen Starsopranistin auf Russlands berühmtesten Platz.

Frenetischer Jubel über "Moskauer Nächte": Mit "Bravo"-Rufen und minutenlangem Beifall feiern Tausende Klassikfans auf dem Roten Platz in Moskau die russische Operndiva Anna Netrebko. Strahlend und Arm in Arm mit ihrem Co-Star Dmitri Chworostowski verlässt die Starsopranistin am Mittwoch die Bühne vor malerischer Kulisse. Es ist das erste Mal, dass die derzeit bekannteste Sängerin des Landes auf dem wichtigsten Platz in Russland ein Konzert gibt - und der Erfolg ist groß. "Sie ist einfach die Beste", schwärmt Zuhörer Alexander.

Richtig zum Kochen aber bringt Netrebko die Menge erst mit drei russischen Romanzen als Zugabe. Bei den "Moskauer Nächten" singen viele mit und wiegen sich im Takt. Der Superstar selbst tanzt auf der Bühne zur Musik und wirft lachend die Arme in die Luft. Anschließend fragen sich viele Konzertbesucher, warum die berühmten Klassiker nicht schon im regulären Programm standen.

Der Auflauf zum Konzert des Jahres ist gewaltig. Moskaus Reiche und Schöne tummeln sich in edlen Garderoben vor der riesigen Bühne - die aber für die ersten Reihen den wunderschönen Blick auf die Basilius-Kathedrale mit ihren Zwiebeltürmen verstellt.

Putin erwünscht, aber nicht anwesend

Prominente Namen fehlen auf der Gästeliste allerdings. Auch Kremlchef Wladimir Putin, den sich Netrebko als Ehrengast gewünscht hatte, kommt nicht. Die Sängerin hatte im Vorjahr Putins Präsidentenwahlkampf unterstützt - das Konzert im Zentrum der Hauptstadt sei nun der Dank des Kreml dafür, meinen Kommentatoren. Der Promo-Abend für Netrebkos neues Verdi-Album überträgt das Staatsfernsehen live.

Mehr als zwei Stunden unterhalten die 41-jährige Netrebko und Bariton Chworostowski (50) das Publikum, das auf unbequemen Hartplastiksitzen gebannt lauscht. Zu Beginn gerade bei der Sopranistin noch etwas tastend, geben die Sänger mit viel Enthusiasmus die berühmtesten Arien und Duette von Giuseppe Verdi zum Besten. Es ist eine Hommage an den italienischen Komponisten zu dessen 200. Geburtstag.

Deutsche Opernliebhaber können das Spektakel vor der historischen Kremlmauer an diesem Sonntag (22.00 Uhr) in der ZDF-Reihe "Sommernachtsmusik" sehen. Der Kulturkanal Arte übertrug das Klassik-Konzert bereits zeitversetzt am Mittwochabend.

Auftritt ohne Probe

Kaum ein Sitz der in den russischen Nationalfarben weiß-blau-rot gefärbten Stuhlreihen ist leer, als das Staatliche Akademische Symphonieorchester unter Dirigent Constantine Orbelian mit der Ouvertüre der Verdi-Oper "Die Macht des Schicksals" das Konzert eröffnet. Dann geht ein Raunen durch die Reihen, als Netrebko in einem Kleid so blau wie der Moskauer Abendhimmel auf die Bühne zu schweben scheint.

"Guten Abend", sagt sie kurz und winkt ins Publikum, dann steigt sie gleich in eine Arie der Elena aus Verdis "Sizilianischer Vesper" ein. Gerade im ersten Teil scheint sich Netrebko aber noch an die Weite des Platzes und die unbekannten Bedingungen mit Mikrofon und Lautsprechern gewöhnen zu müssen. Geprobt hatte die Diva nicht auf dem Roten Platz, sondern in einem Konzertsaal.

Eng umschlungener Abgang

Dem Publikum aber ist es einerlei - von Beginn an erhält die Sängerin lauten Beifall. Im zweiten Teil, nun im pfirsichfarbenen Kleid, steigert sich Netrebko deutlich. Und mit ihrem Partner Chworostowski versteht sie sich offensichtlich blendend. Immer wieder tauschen die Künstler kurze Berührungen aus wie schon bei der Pressekonferenz am Vortag. Eng umschlungen ist dann auch der Abgang.

Als der Jubel verhallt ist, fragen sich aber viele russische Zuschauer, wann die Sopranistin wohl das nächste Mal außerhalb von Moskau oder St. Petersburg auftritt. In der einstigen Zarenmetropole hatte sie erst jüngst bei der Einweihung der neuen Bühne des Mariinski Theaters gesungen. Doch ansonsten, so ist oft vorwurfsvoll zu hören, bevorzuge der Superstar die berühmten Bühnen im Westen. (dpa)