Köln. Karin Beier hat in ihren sechs Jahren am Schauspiel Köln das Theater wieder ganz nach oben gebracht. Jetzt geht sie nach Hamburg ans Deutsche Theater. Sebastian Nübling hat die letzte Premiere während ihrer Intendanz inszeniert - sinnigerweise „Die Letzten“ betitelt.

Ein Stück von Maxim Gorki auf Rollschuhen, das hat denn doch Seltenheitswert. Sebastian Nübling benutzt dieses Requisit bei seiner Inszenierung von „Die Letzten“ am Schauspiel Köln aus Gründen des Kontrastes: Alle Mitglieder der Familie Kolomizew, um die es hier geht, wirken dadurch ungeheuer agil, durchmessen den großen Bühnenraum in Blitzesschnelle, obwohl sie alle innerlich längst verkrustet sind, unfähig, aus ihrer Erstarrung auszubrechen.

„Die Letzten“, das ist ganz wörtlich zu nehmen. Denn Nüblings Arbeit beendet in Köln die erfolgreiche Ära der Intendantin Karin Beier, die dem Haus wieder zu nationalem Ansehen verholfen hat und die nun mit dem Gros des Ensembles nach Hamburg ins Deutsche Schauspielhaus zieht. Gorkis Stück bietet noch einmal eine breite Fläche für viele der Schauspieler, die an dem Kölner Aufschwung beteiligt waren.

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Gorki erzählt in seinem zehn Jahre vor der russischen Revolution entstandenen Stück von der Familie des vorzeitig in den Ruhestand versetzten Polizeichefs Iwan, der sich nun mit Frau und fünf Kindern bei seinem kranken Bruder Jakov eingenistet hat, um dessen Vermögen nach Herzenslust zu plündern.

Matte Schatten statt Widerstand

Nichts an Muriel Gerstners Bühnenbild mit rot-rundem Diwan als Zentrum erinnert an Russland. In die Unbestimmtheit hinein werden im Hintergrund Standbilder aus Eisensteins Revolutionsfilm „Panzerkreuzer Potemkin“ projiziert: Ein Hohelied auf den Mut zum Widerstand, in das sich die Mitglieder der Familie Kolomizew als matte Schatten einbringen, weil es zu mehr nicht reicht. Ein Schaukasten zur Rechten liefert gleichzeitig die soziologische Analyse des Geschehens im Vordergrund und informiert über den „Schrecken der bürgerlichen Wohnung“.

Ein großer Event soll es sein

Nübling betont die nicht wenigen komischen Momente des Stücks und möchte vor allem einen großen Event abliefern. Dazu gehört auch, dass er die Stärken der Schauspieler noch einmal hervorkehren will und sie damit doch in die Typisierung treibt. Markus John, wuchtig an Gestalt, hatte für solche Kreaturen wie seinen Iwan schon immer ein Händchen.

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Hier macht er erwartungsgemäß den Familientyrannen vom Dienst, hurend, stehlend, die eigene Brut verfluchend. Und Lina Beckmann, die schmerzensreiche Gestalten so wunderbar zum Leben erwecken kann, gibt natürlich die bucklige Tochter Ljubow, die das Oberhaupt attackiert wie kein zweiter, gelegentlich auch physisch.

Und weil dieses „Type Casting“, das man forsch fortsetzen könnte, nach großen Auftritten geradezu verlangt, zerfällt das hurtige Rollschuh-Drama schließlich auch in lauter Posen und Possen. Gorkis bürgerliche Familie sinkt dabei merklich in ein „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ ab. Man sieht dieser Nummern-Revue der Akteure wegen nicht ungern zu, muss sich am Ende jedoch ernüchtert fragen, ob nicht auch der Autor hier zu einem Schattenwesen geworden ist.