Berlin. Der Tenor, auf den Herbert von Karajan 40 Jahre lang gewartet hatte, wird 75 Jahre alt. Dabei sah zunächst alles danach aus, als sollte der Sänger eine Karriere einschlagen, die von der leichten Muse geküsst war. Mit eiserner Disziplin schulte er sich zum lyrischen Tenor – und sang fast alle Rollen in Bayreuth.
„Das ist der Tenor, auf den ich vierzig Jahre gewartet habe“, bekannte Herbert von Karajan, als er dem jungen René Kollo zum ersten Mal begegnet ist. Dabei sah es zunächst so aus, als ob weder die Opernbühnen auf den smarten Berliner noch der ehrgeizige Sänger auf die große Oper gewartet hätten. Schließlich entstammt René Kollodzieyski einer Musikerdynastie, die die Berliner Operette zur Blüte gebracht hat. René selbst eroberte mit der deutschen Version von „Hello, Mary Lou“ die Charts, scheiterte jedoch an zwei Vorentscheidungen zum „Grand Prix d’Eurovision de la Chanson“. Um seine Chancen als Musical-Darsteller zu verbessern, nahm er Schauspielunterricht und vor allem Gesangsstunden bei der erstklassigen Stimmbildnerin Elsa Verena, die seine Begabung erkannte und seine Karriere in eine andere Richtung lenkte.
Mit eiserner Disziplin schulte er sich zu einem lyrischen Tenor, der sich behutsam zum dramatischen und letztlich zum Heldentenor weiterentwickelte. Bei seinem ersten Engagement in Braunschweig war er mit 28 Jahren nicht mehr der Jüngste. Umso schneller verlief seine Karriere. 1967 wechselte er an die Deutsche Oper am Rhein und erarbeitete sich ein breites Repertoire. 1969 rief ihn Wolfgang Wagner nach Bayreuth. Hier sang er bis in die 80er-Jahre alle Wagner-Partien – mit Ausnahme des „Tannhäuser“. Eine Zitterpartie für jeden Sänger. Und als Kollo sein Bayreuther Rollen-Debüt kurzfristig absagte, kam es zum Bruch mit den Festspielen.
Blond und attraktiv, aber ohne martialisches Muskelspiel und Fettansatz: Kollo verkörperte einen neuen Typus des Heldentenors, der sowohl Töchtern als auch möglichen Schwiegermüttern gefiel, dem man den Lohengrin oder den Siegfried auch äußerlich abnahm und der vor allem geeignet war, die Reinigungsprozeduren der Bayreuther Festspiele von nationalsozialistischen Schlieren mit jugendlichem Charme voranzutreiben.
Zudem waren auch die Stimm-Kaliber eines Lauritz Melchiors oder eines Franz Völkers nicht mehr gefragt. Der Streit, ob die leichteren Stimmen der neuen Wagner-Generation den Rollen gerecht werden, ist mittlerweile entschieden. Kollos „Tannhäuser“ (mit Georg Solti) und sein Stolzing (in Karajans „Meistersinger“-Einspielung) genießen Referenz-Status. Über 40 Jahre lang bereicherte Kollo die Opernwelt mit seiner stets jugendlichen Erscheinung. In den letzten Jahrzehnten in Charakterrollen wie dem Herodes oder als „Peter Grimes“ (Britten).