Oberhausen. . Pamplona liegt in Oberhausen: Ernest Hemingways großen Roman „Fiesta“ lässt das Stadttheater in der Lutherkirche aufführen. Ein Abend, der auf Action verzichtet, aber nicht durchweg überzeugt.
Ernest Hemingway saß im tiefen Schnee, als er im Winter 1925/26 den Roman „The Sun Also Rises“ vollendete. In einem österreichischen Ski-Ort erinnerte er sich an Stiere und Kämpfer, an die Sonne Pamplonas und das alkoholgetränkte Pariser Nachtleben seiner „lost generation“. Vieles, bis hin zur Kriegsverletzung seines Helden Jake, hatte er selbst erlebt. Auch die Fragen von Schuld und Sühne bewegten ihn: In Österreich erhielten er ihn und seine Gattin Hadley Besuch von Pauline Pfeiffer, einer gläubigen Katholikin. Sie wurde kurz darauf seine zweite Ehefrau – und lehrte ihn auch Gott lieben.
Die Kunst des Weglassens
Eine Kirche (wenn auch eine evangelische) scheint also ein guter Ort für das Wagnis des Theaters Oberhausen, die so lebenspralle „Fiesta“ (so der deutsche Titel) auf die Bühne zu bringen. In der Lutherkirche empfängt sakrale Musik die Zuschauer, in der Mitte des kargen Raums steht eine Abendmahl-Tafel, die Wände sind weiß verhängt (Bühne: Caroline Forisch). Hartmut Stanke führt als etwas hüftsteifer Hotelier Juanito Montoya in die Geschichte ein, später wird er Passagen aus dem Buch vorlesen.
Henry Meyer gibt Hemingways alter Ego Jake in hellem Anzug und mit einem Hut, den das Freudenmädchen Georgette (Susanne Burkhard) sogleich als peinlich rügt. Sie ist die erste, die böse sitzengelassen wird an diesem Abend voller Sitzenbleiber: Denn reihum verlässt Lady Brett Ashley (Ellen Céline Günther) erst Jake, dann Robert Cohen (Martin Müller-Reisinger), dann ihren trinkenden Verlobten Michael Campbell (Marek Jera), dann den jungen Matador (Tobias Amoriello). Einige von ihnen fügen sich darüber gegenseitig Prügel zu.
Raufereien werden nur vorgelesen
Hemingways große Kunst war die Auslassung. Vor allem von Gertrude Stein hatte er gelernt, dass weniger oft mehr ist; für seine knappen Sätze wurde er berühmt. Die Inszenierung von Tilman Raabke und Christoph Todt scheint dieses Erfolgsmodell nachahmen zu wollen, indem sie sich beinahe jegliche Action spart. Die Raufereien bekommen die Zuschauer vorgelesen, die Stierkämpfe spiegeln sich allein in den Mienen der Schauspieler. Die Besinnung auf Wesentliches ist gewiss kein Fehler. Nur springt der emotionale Funke nicht über: Der Liebesreigen lässt die Zuschauer weitgehend kalt.
Auch interessant
Zunehmend irritierend wirkt eine Kleinigkeit: Der Hang aller Figuren, sich am Satzende stets namentlich anzusprechen – etwas, das man vor allem aus Boulevard-Komödien kennt: Es hätte so schön sein können mit uns, Brett! Ja, Jake, das hätte es!
Manch bemühte Schulmeisterei
Aber vielleicht enthält genau diese Macke mehr von Hemingway als manch bemühte Schulmeisterei des Abends: War der breitbeinige Stierkampf-Poet doch auch ein schlimmer Schmonzetten-Schreiber.