Bonn. Im Bonner Haus der Geschichte nimmt man sich der Entwicklung von „Science Fiction in Deutschland“ an. In der Multimedia-Show geht es Schritt für Schritt voran, von den frühen Romanen des Kurd Laßwitz über Perry Rhoadan bis hin zu Star-Trek und Roland Emmerichs apokalyptischen Spektakeln.

Manchmal sieht die Zukunft ziemlich alt aus. Zum Beispiel, wenn man vor dem schrillbunten Heftchenroman von Kurd Laßwitz steht. Dieser Mann, Gymnasiallehrer aus Gotha, hat zu Beginn des vorigen Jahrhunderts nicht nur Bücher über Physik und Immanuel Kant geschrieben, sondern mit „Der Luftpirat“ die erste Science Fiction in Deutschland. Dass es Science-Fiction-Romane waren und nicht Abenteuer-Techno von dunnemals oder Märchen von morgen, das wusste er noch nicht. Erst in den 1920er-Jahren setzte ein gewisser Hugo Gernsback diesen Begriff für ein Genre durch, das bis heute nach den Sternen greift – und dem Bonner Haus der Geschichte eine rundum originelle Multimedia-Ausstellung wert ist: Science Fiction in Deutschland.

Ferne fremde Welten, ganz nah

Haus der Geschichte: Geschichte der Science Fiction in Deutschland
Haus der Geschichte: Geschichte der Science Fiction in Deutschland © Haus der Geschichte

Zukunft? Zuerst gruselt’s einen: Neben dem Eingang zur SF-Show fletscht ein Zwei-Meter-Monster die Zähne: das „Alien“ aus Ridley Scotts gleichnamigem Film, designed vom Schweizer Oscarpreisträger Hansruedi Giger. Aber drinnen sehen wir, dass es schon früher Zukunft gab als 1979; hier flimmert „Metropolis“, der leuchtende Klassiker und dunkle Vaterfilm aller Science-Fiction-Filme, in dem 1927 schon alles angelegt war, was das Genre bis heute ausmacht: Technik-Faszination und -Angst, kühne Spekulation und dramatischer Pessimismus, ferne fremde Welten, ganz nah. Und gleich an der Flanke werden wir an „Die Frau im Mond“ erinnert, Langs zweiten SF-Film: 1929 nahm er im stummen Kino den ersten Raketenstart vorweg, an dem fast zeitgleich Pioniere wie Wernher von Braun (damals 18) auf dem Gelände der Chemisch-Technischen Reichsanstalt Berlin herumprobierten. Unter den Augen der Reichswehr...

Diffuse Zukunftsängste

Das Wechselspiel zwischen sozialer, technischer, politischer Entwicklung und dem Genre Science-Fiction ist das Grundmuster der Ausstellung. Und wir vollziehen die Chronologie dieses ambivalenten Verhältnisses in cool eingebläuter Shuttle-Atmosphäre Schritt für Schritt nach. Vorbei am „Schuss ins All“ des Raum-Vorfahrers Otto Willi Gail, hinein in den kalten Krieg, der nach der Atombombe im Weltraum wie in Kinos ausgetragen wurde. Da prallen die schiere Begeisterung für den Fortschritt und die Hoffnung auf medizinisch-technische Revolutionen auf diffuse Zukunftsängste, fliegen überall lustig Untertassen aus dem Schrank wie früher nur Besen im Märchen, schrecken aber auch Godzillas von grellen Plakaten, wartet die Welt bang auf den großen Knall. 1955, drei Jahre nachdem die US-Luftwaffe binnen zwei Wochen 60 UFO-Sichtungen zu prüfen hatte, gründet sich in Frankfurt am Main der Science-Fiction Club Deutschland.

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In den 60er-Jahren, kaum haben die Russen mit Juri Gagarins Weltumrundung die Nase propagandistisch vorn, schlägt der Westen zurück: mit futuristischen Edelstahlkleidern, designed by Paco Rabanne, Astro-Kinderkram und Fernsehgeräten in Astronautenhelmform. Jetzt entdeckt auch die DDR die Science-Fiction, die sie freilich in „phantastische“ oder „utopische“ Literatur sprachregelt. Im DDR-Film „Der Himmel ruft“ siegt der Sozialismus auch im All, während Dietmar Schönherr und Co. im Westfernsehen bzw. „am Rande des Niemandsraums“ für die Guten auf „Raumpatrouille“ gehen.

Natürlich begegnen wir in Bonn auch Perry Rhodan, unserm ewigen „Mann im All“, der, 1961 ins Leben gerufen von Karl Herbert Scheer und seinem Autorenteam, bis heute für den Moewig-Verlag weit weg von allem herumabenteuert. Ein Jahrzehnt später ist schon wieder weniger Zukunft. Da projiziert Wolfgang Menge zivilisatorische Verwerfungen in sein sehr irdisches, sehr makabres „Millionenspiel“. Die 80er gehören den grundoptimistischen „Star-Trekkies“, die 90er ff. eher den grabdüsteren Weltuntergangs-Opern des Roland Emmerich von „Independence Day“ bis „The Day After“.

Auf Knopfdruck bitte röcheln

Darth Vader
Darth Vader © Haus der Geschichte

Zum allgemeinen Schwarzsehen passt auch die „Darth Vader“-Figur, die auf Knopfdruck röchelt. Aber vielleicht lacht sie ja auch nur über die neckische Lederpeitsche des „Lord Jens Maul“ in der Vitrine zu Bully Herbigs auch schon wieder historischem „(T)Raumschiff Surprise“. War früher mehr Zukunft? Nein, nicht mehr. Nur anders.