Madrid. Die Finanzkrise Spaniens trifft die Kultur in voller Härte. Eintrittspreise fürs Theater steigen, viele Institutionen sind kaum zukunftsfähig - und auch der Staat erhöht die Steuern. Viele Künstler vermuten eine Strafaktion der konservativen Regierung gegen die eher linke Kulturszene.
Pfeifkonzerte vor Spaniens Kulturministerium im Zentrum der Hauptstadt Seit Wochen demonstrieren Spaniens Künstler, Musiker und Schauspieler regelmäßig in Madrid gegen den „Todesstoß für den Kulturbetrieb“. Vor allem die saftige Anhebung der Mehrwertsteuer von acht auf 21 Prozent für Kino-, Theater- und Musikaufführungen weckt den Zorn der spanischen Kulturschaffenden.
„Sie ruinieren die Gegenwart und die Zukunft in diesem Land“, empört sich der Hollywood-Filmstar und Oscar-Preisträger Javier Bardem. Die höhere Mehrwertsteuer werde „dem Krisensektor den Rest geben“. Viele Bürger mit geringem und mittlerem Einkommen werden sich künftig noch weniger Kultur leisten können.
Besucherschwund von bis zu 30 Prozent
Die spanische Wirtschaftskrise, die Millionen Menschen in Armut und Arbeitslosigkeit treibt, verschont auch die Kultur nicht: Kinos, Theater und Konzertsäle verbuchen einen Besucherschwund von bis zu 30 Prozent. Und der Abwärtstrend dürfte sich noch verstärken.
Ihr Sektor „wird untergehen“, befürchten Spaniens Musikproduzenten. „Unverantwortlich“, empört sich die spanische Filmindustrie. Der Anstieg der Mehrwertsteuer werde kontraproduktiv sein: „Der Staat wird nicht mehr einnehmen, weil das Publikum wegbleibt.“ Und mit der Steuerschraube werde man „die ganze Branche erledigen“.
Schonung für Museen – zunächst
„Vielleicht wollen sie das auch“, sagt ein prominenter Schauspieler, der aus Sorge um künftige Theater- und Filmaufträge anonym bleiben will. „Die Kulturszene hat den Ruf, eher links und kritisch zu sei.“ Da passe es Spaniens konservativer Regierung und ihrem biederen Kulturminister Ignacio Wert wohl gut ins Konzept, Druck auszuüben. Das Ganze sei „eine Strafaktion“ gegen die unbequeme Kulturszene.
„Das Theater hat etwas mit Freiheit zu tun“, sagt der Theater-Autor Montxo Borrajo. „Wenn man die Eintrittspreise erhöht, nimmt man den Leuten ein Stück Freiheit.“ Schauspielerin Rosa Maria Sarda nutzte die Bühne in Barcelona, auf der sie gerade donnernden Applaus bekommen hatte, um ihr Publikum auf die schwierige Zukunft einzustimmen: „Vielleicht geht diese Art, Theater zu machen, bald zu Ende.“
Spaniens Museen müssen übrigens auch künftig keine Mehrwertsteuer bezahlen und können daher die Eintrittspreise zunächst einmal stabil halten. Dies dürfte die Spanientouristen freuen, die vor allem die weltberühmten Kunstsammlungen in Madrid oder Barcelona besuchen.
Banken stoppen Sponsoring
Trotzdem droht auch den Museen Unheil, weil öffentliche Fördermittel radikal gestrichen werden und Spaniens wankende Banken ihr kulturelles Engagement verringern. Etliche kleinere Museen und Kunstzentren mussten bereits schließen, etwa das Chillida-Museum im Baskenland. Andere kämpfen ums Überleben wie das erst 2011 eröffnete Niemeyer-Zentrum.
Beim spanischen Krisen-Nachbarn Portugal, der seit Frühjahr 2011 am Tropf des Euro-Rettungsfonds hängt, sieht die Lage noch düsterer aus. Die Mehrwertsteuer für Kulturereignisse stieg dort von sechs auf 23 Prozent. Der staatliche Kulturetat wurde mit der Axt um gleich 80 Prozent gekürzt, die Filmförderung ganz eliminiert, viele portugiesische Produktionsfirmen stehen vor dem Bankrott.