Essen. . Mit „Tage des Bösen“ belegt der australische Krimi-Autor Peter Temple Platz zwei der Krimi-Bestenliste. Temple hat den Finger am Puls der Zeit und schreibt über ein kompromittierendes Video, das Kriegsverbrecher im Outfit der US-Marines zeigt. Das Erstaunliche: Sein Buch ist schon zehn Jahre alt.
Der Australier Peter Temple sei „einer der besten Thrillerautoren der Welt“, schreibt die „Times“ aus London, und das hat der Verlag gleich aufs Cover gedruckt. So etwas liest man ja öfter. Aber nach 20 Seiten denke ich, es könnte was dran sein, obwohl noch sehr nebulös ist, worum es da wirklich geht. 30 Seiten weiter habe ich kapiert, dass genau dies Temples Kniff – oder eben seine Qualität ist: Er lockt uns mit schnellen Dialogen und scharfen Schnitten in einen Wirbel von Figuren, Orten und Action, aus dem wir uns nicht mehr lösen können, gerade weil wir vorerst nur Schatten, Umrisse, Bruchstücke erkennen.
Kriegsverbrechen auf Video
Klar wird immerhin: Ein ehemaliger Söldner, jetzt Security-Mann mit dem ominösen Namen Niemand, kommt in Kapstadt an ein Video, das Dinge zeigt, für die Kriegsverbrechen ein milder Ausdruck wäre; Männer im Outfit der US-Marines sind da zu erkennen. Und er will es in London zu Geld machen. Aber schon sind die Jäger auf seiner Spur. Deren Auftraggeber verbergen sich hinter dubiosen Firmen und Agenturen, teils für die digitalen Feinheiten, teils fürs gröbere Handwerk zuständig. In Hamburg (wo auch Temple einmal gelebt hat) arbeitet John Anselm, Deutschamerikaner, ehemals Kriegsreporter und Geisel im Libanon, für die Firma W&K. Sie ermittelt und verkauft Informationen aller Art, für jeden, aber auch jeden zahlungskräftigen Auftraggeber. Ob es um Industriespionage geht, einen geplanten Staatsstreich, um betrügerische Banker oder durchgebrannte Millionärsgattinnen, W&K liefert die nötigen Daten, Kontoauszüge, belastenden Fotos, Aufenthaltsorte, und zwar schneller und effektiver als die verschnarchten Geheimdienste es jemals konnten.
Dies ist übrigens der Punkt, wo Temple tatsächlich den Finger am Puls der Zeit hat. Wenn Globalisierung, Datenverarbeitung und die Netze aller Art unsere Welt so radikal umkrempeln, muss das auch am Krimi ablesbar sein. So könnte der Thriller der Zukunft aussehen – umso erstaunlicher, dass dieses Buch schon zehn Jahre alt ist!
Ende mit wahrer Liebe
Hier sei nur noch verraten, dass Niemand und Anselm, die als Kontrahenten ins Rennen gehen, gerade noch rechtzeitig zusammenfinden. Nicht gerade überraschend, aber immer noch sehr spannend und ausreichend für einen fachgerechten und halbwegs ‚positiven’ Schluss. Dass die beiden ramponierten Helden dann aber im schönen Gleichklang ihre wahren Lieben für den Lebensrest finden, ist schon ein bisschen dicke. Und warum bis zur letzten Seite Anselms böser Onkel Moritz von der Waffen-SS durch das Buch geistern muss, ist mir ein Rätsel geblieben. Ich weiß nur: Man liebt so etwas in der englischsprachigen Welt.