Essen. . Die Idee des Festpreises ist in Verruf geraten. Dies ist ein Plädoyer für einen entspannten Umgang mit Flatrates: Sie gehören längst zu unserer realen Kultur und wären auch im digitalen Raum eine gerechte Lösung.
Die Flatrate-Mentalität geht um: als ein wirkmächtiges Gespenst, das die an sich harmlose Idee eines Festpreises für bestimmte Dinge übel in Verruf gebracht hat. Aber was ist eigentlich gegen die Flatrates einzuwenden?
Dies ist ein Plädoyer: Für eine Kulturflatrate als pauschale Abgabe fürs Musikhören, Videogucken und Texte-kopieren im Internet. Und für einen entspannten Umgang mit der gegenwärtigen Flatrate-Mentalität.
Die Flats sind überall. Wir nutzen sie legalerweise fürs Telefonieren und Surfen, vielleicht fürs unbegrenzte Musikhören mit Simfy oder Spotify, womöglich für den Hörbuchdownload bei Audible. Flats fürs Ebook dürften nur noch eine Frage der Zeit sein. Aber auch jenseits aller Technik scheint der Mensch der Gegenwart bestrebt, sich zum Festpreis zu amüsieren – und sich dem befriedigenden Gefühl hinzugeben, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Doch Pauschalurlaube, All-You-Can-Eat-Buffets und die neuerdings moderne Bordell-Flatrate haben eines gemeinsam: Die Augen sind immer größer.
Auch Arbeitsverträge und Ehen sind Flatrates
Der moderne Homo Oeconomicus will alles, am besten auf einmal, zum möglichst kleinen Preis. Für seine „Flatrate-Mentalität“ wird er böse beschimpft, dabei ist sie nur menschlich – und in der Gesellschaft stärker verankert, als wir wahrhaben wollen.
Was ist denn eine Flatrate? Eine Art Vertrag, bei dem man einmal bezahlt, dafür mehrmals etwas bekommt. Der Ausweis bei der Stadtbücherei, zum Beispiel – für sehr kleines Geld könnte man hunderte Bücher im Jahr lesen. Der monatliche Beitrag fürs Fitnessstudio. Der Vertrag für die Mietwohnung! Auch zahlt mein Arbeitgeber eine Art Flatrate an mich: einen monatlichen Lohn dafür, dass ich jeden Tag ins Büro gehe und ihm geistige Inhalte überlasse. Und schließlich liegt sogar jeder Ehe und jeder langfristigen Beziehung ein Dauervertrag zugrunde, in dem in einem komplizierten Wechselspiel Nähe und Vertrauen, Sockenwaschen und Müllrunterbringen aufgewogen werden.
Dies alles sind Flatrates, die wir prima finden. Deren schleichendes Verschwinden wir in unserer Single- und Projekterepublik Deutschland gar beklagen. Schon komisch: Während sich die geistige Elite zunehmend als Kreativwirtschafts-Tagelöhner verdingen muss, während dauerhafte Arbeitsverhältnisse seltener werden und immer mehr Menschen im gebärfähigsten Alter die monogame Zweisamkeit als uncoole Idee gar nicht erst erwägen – boomen die Flatrates. Heute sind Telefonverträge oft langfristiger, verlässlicher als Beziehungen. Das spricht nicht gegen die Telefonverträge!
Kurz: Flatrates sind nichts, was man fürchten müsste. Eine Kulturflatrate als Pauschale dafür, dass man Musik, Texte und Bilder aus dem Netz lädt, nutzt, tauscht, könnte eine Alternative zur Illegalität sein. Man könnte die Kulturflatrate sogar allen Internetnutzern automatisch in Rechnung stellen: Nach dem Prinzip der Solidargemeinschaft zahlen Fußball-Ignoranten ja schließlich auch die gigantischen Polizeieinsätze an den Stadien – mit ihren Steuern.
Gegner der Kulturflatrate führen gerne an, dass deren Umsetzung nicht praktikabel sei – wer bekommt wie viel vom Kuchen ab, wie rechnet man das aus? Dabei gibt es in der alten, analogen Welt längst ganz ähnliche Abgabe-Modelle. Zum Beispiel zahlt jeder, der einen CD-Rohling oder einen USB-Stick kauft, schon heute eine Urheberrechts-Abgabe an die Hersteller – weil es sich ja hier um Hilfsmittel zum Kopieren handelt.
Die Kulturflatrate wäre eine gerechte Lösung
An die Künstler verteilt werden diese Abgaben von der „Zentralstelle für private Überspielungsrechte“, gegründet 1963. Dank ihr konnten Jugendliche einst völlig legal Mixtapes aus Radiomitschnitten zusammenstellen – während sie heute im Internet für ganz ähnliche, jugendtypische Impulse des Sammelns und Tauschens und Sichprofilierens unversehens zu Raupkopierern werden können. Auch das hätte mit der Kulturflat ein Ende.
Es wird Zeit, dass wir die Flatrate wieder hoch halten.