Berlin. . 17 Politiker und 17 Experten sollen die Netzpolitik Deutschlands reformieren. Dazu sitzen sie seit einem Jahr in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ zusammen. Herausgekommen ist bislang wenig, Besserung ist nicht in Sicht.

Heftige Kontroverse zwischen Parlamentariern und Experten: Weil einigen Fachleuten die Arbeitsweise in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages nicht passt, ist die Arbeit der auf zwei Jahre angelegten und mit hohen Erwartungen verknüpften Runde arg ins Stocken geraten. Die Sitzung am Montag in Berlin verließen die 34 Mitglieder - 17 Politiker und 17 Experten - im Streit. Die Netzneutralität, das zweifellos brisanteste Thema der Enquete, blieb deshalb weiter offen. Anderes konnte indes noch vor der Sommerpause abgehakt werden.

Den Protest in der Internet-Enquete stieß am Montag der Jurist Hubertus Gersdorf von der Rostock Universität an, der für die FDP als Sachverständiger reguläres Mitglied der Kommission ist. „Ich habe meine große Sorge, ob das Gesamtpaket am Ende bei den Leuten da draußen überhaupt noch lesbar ist“, sagte Gersdorf. Zusammen mit einer Handvoll anderen Sachverständigen kritisierte er, dass die Enquete für ihre derzeit anstehenden Zwischenberichte bisweilen „Spiegelstrich für Spiegelstrich“ abstimmen lasse und nicht ganze Passagen „en bloc“ abnicke oder ablehne. Andere sagten, das alles koste „unser aller Lebenszeit“. Sie hätten „besseres zu tun“.

Gelebte Demokratie gegen parlamentarische Effizienz

Der Sachverständige Gersdorf sagte, die Berichte müssten „wahrlich nicht wissenschaftlichen Kriterien genügen, aber lesbar sein“. Mit der Abstimmung und Ablehnung einzelner Sätze sei dies aus seiner Sicht nicht mehr gegeben. Er forderte deshalb, die Sommerpause früher anzutreten, damit alle über bessere Arbeitsweisen nachdenken könnten. Vor allem Vertreter der Opposition forderten indes, das Prozedere hinzunehmen. „Das ist gelebte Demokratie hier“, sagte Konstantin von Notz (Grüne). „Das muss man aushalten.“

Letztlich setzten Vertreter der schwarz-gelben Koalition mit den von ihnen eingesetzten Experten die Verschiebung der Zwischenberichte durch. Die Debatte über die Arbeitsweise hatte sich da jedoch schon so weit hingezogen, dass ohnehin das reguläre Sitzungsende in Sicht war. „Absurdistan“, kommentierte Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner den Ausgang dieser Sitzung. Auch andere gaben sich sehr frustriert.

„Aufklärung statt Einschüchterung“ beim Urheberrecht

Mit der Verschiebung verzögert sich vor allem der Zwischenbericht zur sogenannten Netzneutralität. Dabei geht es um die Frage, ob alle Datenpakete im Netz gleich behandelt werden sollen oder ob einige schneller verschickt werden dürfen als andere. Weil diese Frage noch in diesem Jahr auch bei der Reform der Telekommunikationsgesetze (TKG-Novelle) ansteht und ausnahmslos alle Internetnutzer betrifft, wird das Signal der Enquete mit Spannung erwartet. Im Kern geht es um die künftigen Verkehrsregeln für die Internetleitungen in Deutschland. Auch das Thema Datenschutz wird die Enquete frühestens im September wieder anfassen.

Noch am Montag konnte der Zwischenbericht zum Urheberrecht verabschiedet werden, der aller Erwartung nach dem Endbericht sehr ähneln dürfte. Die Kommission riet Musiklabels und Filmproduzenten, im Kampf gegen Raubkopierer künftig auf kriminalisierende Kampagnen nach dem Motto „Raubkopierer sind Verbrecher“ zu verzichten. Diese seien „fragwürdig“ und sollten Werbebotschaften weichen, in denen über die „Rechte im digitalen Raum“ aufgeklärt werde. Das Gremium nannte als Prinzip „Aufklärung statt Einschüchterung“.

Weiterverkauf von Musik- und Filmdateien angeregt

Die Kommission sprach sich zudem für mehrere Modelle aus, die Nutzer davon überzeugen könnten, Musik und Filme im Internet öfters ganz legal abzurufen. Die Mehrheit der Runde plädierte dafür, dass Nutzer Musik- und Filmdateien künftig wie schon CDs und DVDs weiterverkaufen könnten. Bisher ist das verboten. Auch eine sogenannte Kulturflatrate solle „ergebnisoffen“ geprüft werden. Die Idee dabei: Mit Abgaben auf Internet- und Telefonverträgen könnten Lücken in den derzeitigen Bezahlmodellen gestopft werden. An einen Ersatz für den Einzelverkauf denkt die Enquete dabei aber nicht.

Bereits eine Woche zuvor hatte die Internet-Enquete empfohlen, dass alle Schüler künftig eigene mobile Computer (Laptops) erhalten sollten. Ziel sei es, den Umgang mit modernen Programmen und dem Internet zu fördern - unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern. Über dafür nötige Zuschüsse oder Steuererleichterungen muss nun aber jedes Land einzeln entscheiden, weil Bildung die Sache der Länder ist. Wie auf Bundesebene so hat die Enquete auch hier allein beratenden Charakter. (dapd)