Essen. . Es ist nur ein Zufall, aber trotzdem ein schöner. Die beiden noch lebenden Beatles, Paul McCartney und Ringo Starr, veröffentlichen innerhalb einer Woche beide ein neues Album. Paul übt sich in „Kisses on the Bottom“ in Sanftheit, „Ringo 2012“ ist eher ein Schnellschuss.
Als Paul McCartney 1970 sein erstes Solo-Album „McCartney“ fast gleichzeitig mit dem finalen Beatles-Album „Let It Be“ veröffentlichen wollte, da wurde das in jenen Zeiten des Zerfalls und der gegenseitigen Schuldzuweisungen noch als Affront gewertet. Wenn heute, da nur noch zwei der Beatles leben, neue Alben von McCartney und Ringo Starr im Wochenabstand erscheinen, ist das höchstens noch als schöner Zufall zu werten.
Zurück zu den gant tiefen Wurzeln
McCartney geht in „Kisses on the Bottom“ zurück an seine Wurzeln. Die aber liegen diesmal nicht im frühen Rock’n’Roll, dem er bereits auf der Coverplatte „Run Devil Run“ seine Reverenz erwiesen hat. Diesmal geht er bis in seine Kindheit zurück, als er von seinem Vater die Liebe zu den frühen amerikanischen Songwritern erbte. Nun wissen wir, dass Sänger im fortgeschrittenen Alter (Rod Stewart, Bryan Ferry) gern das Great American Songbook ausschlachten. McCartney lässt sich in diese Nachbarschaft glücklicherweise nicht einordnen. Dafür ist seine Songauswahl denn doch zu ungewöhnlich, mischt das wenig Bekannte (Frank Loessers „The Inch Worm“) mit dem Kuriosen („My Very Good Friend the Milkman“). Und Platz für zwei eigene Songs ist auch noch.
Tribut an Liverpool
Es ist gewöhnungsbedürftig, den Ex-Beatle nun im Bereich der gepflegten Lounge-Atmosphäre anzutreffen. Die Stimme, die auch heute noch „Helter Skelter“ bewältigt, sie schmiegt sich jetzt geradezu zärtlich in die Harmonien von Songs wie „It’s Only a Paper Moon“, um nur den bekanntesten zu nennen. Er behandelt die Worte dabei fast zärtlich, scheint sie manchmal mit der Zunge geradezu liebevoll abzuschmecken.
Die Energie, die McCartney in dieses Projekt gesteckt hat, ist bewundernswert. Die von Diana Krall besorgten Arrangements jedoch lassen einen Song in den nächsten fließen, ohne dass große Unterschiede tatsächlich spürbar werden. Unmerklich zupft Eric Clapton auf drei Titeln ein paar Gitarrenakkorde, merklicher ist da schon die Mundharmonika von Stevie Wonder auf McCartneys eigenem Song „Only Our Hearts“.
Alte Stücke tauchen auf
Auch Ringo Starr erinnert sich auf „Ringo 2012“. Einmal mehr an seine Heimatstadt Liverpool, der er schon auf seinen beiden letzten Alben mit nostalgischer Verklärtheit Tribut gezollt hat. Aber auch an seine alten Platten, etwa an „Wings“ von „Ringo the 4th“ oder an „Step Lightly“ von „Ringo“, denen er nun überflüssigerweise ein Comeback angedeihen lässt. Vielleicht aber haben auch die eigenen Ideen diesmal einfach nicht gereicht. Neben zwei Coverversionen bleiben bei einer Laufzeit von unter 30 Minuten eigentlich nur fünf neue Songs, von denen einzig „Samba“ (mit Van Dyke Parks) aufhorchen lässt.