Los Angeles. . George Harrison war mehr als bloß Gitarrist der Beatles. Bob Dylan rühmte ihn als “einen Giganten“ und auch Mick Jagger gerät ins Schwärmen. Heute vor zehn Jahren erlag Harrison einer Krebserkrankung. Er hat die Pop-Geschichte um einige der schönsten Songs bereichert. Der Einstieg in seine Musikkarriere wäre aber fast am Alter gescheitert.
Da staunten alle: „Ich mag Ihre Krawatte nicht“, meinte der damals 19-jährige George Harrison, als er mit den Beatles 1962 erstmals dem Produzenten George Martin vorspielte. Martin hatte gesagt, die Jungs sollten sich melden, wenn ihnen etwas nicht passe. Und Harrison, später zu Unrecht als der stille Beatle abgestempelt, meldete sich oft – mit wunderbaren Songs, mit besonderer Kreativität, mit häufig hintergründigem Humor, mit seinen Überzeugungen. Im Grammy-Museum in Los Angeles wird derzeit mit einer Ausstellung an den legendären Musiker erinnert, der vor zehn Jahren im Alter von 58 Jahren in Los Angeles einem Krebsleiden erlag. In Liverpool gibt es am 29. November, seinem Todestag, zwei Tribut-Konzerte, und Anfang Dezember erscheint die dreieinhalbstündige DVD-Dokumentation „Living In The Material World“, mit der Top-Regisseur Martin Scorsese den Beatle würdigt, der immer für eine Überraschung gut war.
Da war John Lennon baff
Die Beatles? Die gab es 1958 noch gar nicht, aber immerhin hatte der fast schon 18-jährige John Lennon bereits Paul McCartney in seine Band „The Quarrymen“ aufgenommen. Der war 16, das ging so eben. Aber als Paul seinen Schulfreund George Harrison mitbringen wollte, gab es Probleme. George hatte sich zwar die Finger wundgeübt an dem Gitarren-Hit „Raunchy“, doch er war erst 15. Zu jung, meinte John, doch dann ließ er sich von Paul breitschlagen, sich George mal anzuhören - auf dem Oberdeck eines Liverpooler Linienbusses. Und George spielte die Nummer so gut, dass Lennon völlig überrascht war. Willkommen bei den „Quarrymen“, aus denen die Beatles werden sollten.
Sinatra lag daneben
Mit seinem unverkennbar filigranen Gitarrenstil prägte Harrison den Beatles-Sound ganz entscheidend. Aber er hatte es angesichts der übermächtigen Konkurrenz des Songschreiber-Duos Lennon/McCartney immer schwer, seine Stücke auf den Alben unterzubringen. „Wir nahmen 14 ihrer Songs auf, dann vielleicht einen von mir“, resümierte er später. Doch was veröffentlicht wurde, hielt jedem Vergleich stand. „Zum Weinen schön. Nur ein Gitarrist konnte das schreiben. Ich liebe diesen Song“, rühmte Mick Jagger Harrisons „While My Guitar Gently Weeps“, und erst 1969 schaffte es George mit „Something“ erstmals auf die A-Seite einer Beatles-Single. Es wurde nach „Yesterday“ das meist gecoverte Beatles-Stück. Doch für die größte Überraschung sorgte hier Frank Sinatra. Er nannte „Something“ sein Lieblingslied von - Lennon/McCartney.
Ein Gebet auf Platz 1
Viele Songs, die Harrison bei den Beatles nicht unterbringen konnte, veröffentlichte er 1970 mit einem überraschenden Befreiungsschlag, dem Dreifach-Album „All Things Must Pass“, das vielen Kritikern bis heute als die beste Solo-Platte eines Ex-Beatle gilt. Und das Ex – das war George Harrison wichtig. Denn die Beatles, das Leben in der Öffentlichkeit, der Ruhm – das alles missfiel ihm immer mehr. In dem nie veröffentlichten Song „Nowhere To Go“ sang er damals: „Ich bin es leid, Beatle Jeff zu sein und auf Kommando zu Leuten zu sprechen, die doch nicht zuhören.“ Und zu sagen hatte er viel - auch angesichts seiner Neigung zu indischer Musik und Philosophie, zum Krishna-Glauben. Schon auf dem Dreier-Album ist der Song „Art Of Dying“ („Die Kunst zu sterben“) enthalten, in dem er sich mit dem Thema Wiedergeburt auseinandersetzt. Nicht zu vergessen sein wohl bekanntester Solo-Hit: „My Sweet Lord“ – ein Gebet auf Platz 1 der Charts.
Zwischen Sitar und Formel 1
Als George Harrison 2001 starb, spielte die Militärband vor dem Buckingham Palast beim Wachwechsel statt Marschmusik Beatles-Melodien und Bob Dylan holte zu einer Würdigung aus, wie sie nur Dylan gelingen kann: „Er war ein Gigant. Er war wie die Sonne, wie die Blumen und der Mond, und wir werden ihn ungeheuer vermissen.“ Ende der 80er Jahre hatten die beiden Freunde mit den „Traveling Wilburys“ eine gemeinsame Band, die zwei ganz entspannte Rock-Alben veröffentlichte. George Harrison machte die indische Sitar im Westen populär, produzierte Filme wie „Das Leben des Brian“, spielte auf vielen Alben von Freunden wie Ringo Starr und Alvin Lee wunderbare Slideguitar-Soli, besuchte als Freund von Jackie Stewart und Damon Hill immer wieder Formel 1-Rennen und machte sich in der Öffentlichkeit ansonsten aber meistens rar.
Seine Asche wurde verstreut
Und doch geriet er wie der ermordete John Lennon zur Zielscheibe eines wahnsinnigen Attentäters. 1999 wurde er in seinem Anwesen in Henley-on-Thames von einem Eindringling mit Messerstichen schwer verletzt. Seine Frau Olivia konnte den Angreifer mit einer Tischlampe überwältigen. Rockstar George Harrison? Damit hatte er zuletzt nichts mehr im Sinn. Er kämpfte gegen den Krebs, wollte seinen riesigen Garten pflegen, ganz einfach Musiker sein, Songs schreiben – wie „Something“, das Paul McCartney bei seinem Konzert am 1. Dezember in Köln, dem einzigen in diesem Jahr in Deutschland, auch wieder spielen dürfte. Um George zu ehren, dessen Asche über dem indischen Fluss Jamuna verstreut wurde.