Gelsenkirchen. Premiere für die Neuinszenierung durch den Haus-Intendanten Michael Schulz – nur zum Ende hin gehen die Ideen aus. Musikalisch ist die Vorstellung ein Fest.

Das ist der Stoff, aus dem die Opernträume sind: Verdis „La Traviata“ ist einer Fernsehumfrage zufolge die „schönste Oper aller Zeiten“. Seit Samstag hat das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier (MiR) das Werk zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder auf dem Spielplan. Und schon bei den ersten Akkorden merkt man, dass diese „Traviata“ anders ist.

Rasmus Baumann, Chefdirigent am MiR, hat sich monatelang in Giuseppe Verdis Partitur eingearbeitet und setzt die Anweisungen des Komponisten werkgetreu um. Er setzt Betonungen anders, als man sie aus vielen Einspielungen und von den Aufführungen der letzten Jahre kennt, arbeitet feine Akzente gezielt her­aus.

Kein bitteres Leid

Damit erreicht Baumann gemeinsam mit der in Topform spielenden Neuen Philharmonie Westfalen wirklich, was er vorhat: Die ersten zwei Akte des Werkes erklingen frischer, lebendiger, hier spricht zwar Sehnsucht, aber kein bitteres Leid aus den Tonfolgen.

Sopranistin Alexandra Lubchansky, die als Edelkurtisane Violetta Valery im Mittelpunkt dieses Psychodramas steht, trumpft mit reinen Koloraturen und ergreifender Bühnenpräsenz auf. Tenor Daniel Magdal, der hier ihren Geliebten Alfredo Germont verkörpert, liefert eine solide Leistung ab, wird von Bariton Günter Papendell (als dessen Vater) jedoch locker an die Wand gesungen. Allein schon Papendells Auftritt ist den Besuch dieser „La Traviata“ wert. Seine Stimme geht durch Mark und Bein. Opernchor und Extrachöre des Musiktheaters unter Leitung von Christian Jeub runden das musikalische Fest ab.

Feste in Brokat-Kulisse

MiR-Intendant Michael Schulz (kurzfristig eingesprungen für den ursprünglich vorgesehenen Regisseur) hat die Figuren mit wenig Pathos gezeichnet und lässt in dieser „La Traviata“ ständig Geld vom Himmel regnen. Die Welt der Violetta Valery wird regiert vom schnöden Mammon. Und doch sind all diese Blüten nichts wert, wenn das Leben zu Ende geht.

Das von Dirk Becker gestaltete Bühnenbild von „La Traviata“ macht da weiter, wo die Inszenierung von Verdis „Aida“ vor drei Jahren am gleichen Haus aufhörte: Es ist modern, schlicht und kubistisch angelegt, vermag mit wenigen Elementen viel Inhalt zu transportieren. Rauschende Feste werden in edler Brokat-Kulisse gefeiert. Am Ende wird das Bild jedoch so karg, dass der 3. Akt fast zur konzertanten Aufführung gerät. Man fragt sich: Sind den Machern die Ideen ausgegangen oder das Geld?

Sie stirbt aufrecht

Nicht mal für ein Bett für die sterbende Violetta hat es gereicht. So stirbt sie aufrecht, fast ohne Zuckungen, und wäre da nicht der Arzt (Dong-Won Seo), der sie für tot erklärt – man hätte es gar nicht gemerkt. So steht einmal mehr die Musik an diesem Abend im Mittelpunkt. Und die macht diese „La Traviata“ in Gelsenkirchen zu einem wirklichen Erlebnis.