Berlin. . Ein diskreter Kunstfellmantel mit Strickschal und Tschapka auf dem Kopf - so verkleideten sich die Stasi-Männer im Dienst für den Weltfrieden. Eine Ausstellung offenbart die Maskerade - doch so geheim war der alberne Aufzug in der DDR nicht.

Dieser Stasi-Mann war ein ganz Raffinierter im Kampf gegen den imperialistischen Feind. Er versah seinen Dienst mal mit künstlich angepapptem, mal ohne Bärtchen, und ließ sich von Kollegen in verschiedenen Verkleidungen ablichten.

Mit Strickjacke und brav bis oben zugeknöpftem Hemd mit großem Kragen, wie ein gerade Jugendgeweihter. Oder im diskreten Kunstfellmantel mit Strickschal und Tschapka auf dem Kopf, in den Manteltaschen Kamera, Block und Stift. Verkleiden im Dienst für den Weltfrieden, das wollte schließlich gelernt sein.

Das Auffälligste am dicklichen Verkleidungskünstler mit dem feisten Kinn ist aber, dass er stets dieselbe große Sonnenbrille trägt. Die sollte ihn gänzlich unauffällig machen. So lernte er es bei der Ausbildung in Sachen verdecktes Verhalten. Die meisten DDR-Bürger wussten allerdings sofort, dass der Typ in seinem albernen Aufzug, klischeehaft bis zum letzten Knopf, einer von der Horch-und-Guck-Kompanie war.

Fund zeigt Überwachungspsychose

Der 32-jährige Künstler Simon Menner sichtete über Monate Archive des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR, dabei stieß er auf Tausende Fotos, die Stasi-Mitarbeiter intern voneinander angefertigt hatten. Ein grotesker Fund, der auf sehr spezielle Weise die totalitäre Überwachungspsychose zeigt.

Die Stasi hatte zuletzt über 90 000 hauptamtliche Angestellte und mehr als 170 000 IM (inoffizielle Mitarbeiter). Pro Kopf der Bevölkerung verfügte sie über mehr Agenten als der KGB in der Sowjetunion oder die CIA in den USA. Man will es nicht glauben, wenn man diese Figuren in ihren billigen Verkleidungen, mit denen sie eine andere Identität simulieren wollten, betrachtet, dass sie „Schwert und Schild der Partei“ waren. Viele von ihnen haben etwas Vertrotteltes, die Körperhaltung ist verkrampft und der Gesamtauftritt so ulkig, dass es kaum zu glauben ist, dass das Originalaufnahmen sind.

Sind es aber. Simon Menner hat sie nur abfotografiert, um sie für seine Berliner Ausstellung zu inszenieren. Der junge Mann, der als Kind Stasi-Leute kaum bewusst wahrnehmen konnte, sagt: „Das sind Bilder des Bösen“, obwohl alle Besucher davor grinsen. Menner ging es um den Blick durch die Augen der Beobachter. „Dadurch lernt man auch etwas über die Überwacher.“

Spitzeln als Handarbeit

Der künstlerische Ansatz soll – anders als der historisch-wissenschaftliche – zum Nachdenken bringen und die Diskussion neu beleben. Denn diese staatlich besoldeten Clowns, die so gern perfekt getarnte Agenten sein wollten, entschieden oft über Menschenleben. Sie bespitzelten ahnungslose Bürger, observierten deren Privatleben, zerstörten seriell Freundschaften und Familien.

Die Ausstellung „Bilder aus den geheimen Archiven der Stasi“ ist deshalb so interessant, weil sie die Allgegenwärtigkeit des Geheimdienstes im DDR-Alltag belegt. So sind verdeckte Zeichen der Stasi-Leute zu sehen: Handbewegungen hinterm Rücken, die Handfläche in Hüfthöhe leicht anheben, sich am Kopf kratzen. Decodieren konnte Menner das nicht, fand aber heraus, dass es Verständigungscodes waren. Auch das wirkt aberwitzig in Zeiten der Generation Facebook. Was heute mittels Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung oder elektronischer Hausdurchsuchung hygienisch sauber möglich ist, war seinerzeit noch schmutzige Handarbeit. So machten Stasi-Mitarbeiter bei Wohnungsaufbrüchen Polaroids von zerwühlten Betten und mit Papieren belegten Schreibtischen und Buchrücken in Regalen. Sie fotografierten Menschen bei alltäglichen Verrichtungen wie dem Gang zum Briefkasten.

Banale Staatsfeinde

Selbst banale Dinge wurden durch die Schnüffelei zu verdächtigen staatsfeindlichen Objekten: Schuhe auf einem Teppich vor einem Spiegel, eine halbausgedrückte Salbentube, eine Kaffeemaschine von Siemens, Pin-up-Fotos aus West-Magazinen, ein kunstlederner Aktenkoffer, Puppen, Meerschweinchen. Das alles konnten Werkzeuge des Staatsfeindes sein. Die verkleideten Kasper steigerten sich derart in die selbst geschaffene Bedrohungslage, dass sie darüber paranoid wurden. Wie leben sie wohl heute?