Herr Jahn, in Ihrer Behörde sitzen Ex-Stasi-Offiziere an der Pforte, einige haben Zugang zu Akten. Sie nennen das einen „Schlag ins Gesicht der Opfer“. Warum kann man das als Behördenchef nicht unterbinden?

Roland Jahn: Weil ich nach Recht und Gesetz handele und ein Weg gefunden werden muss, der beachtet, dass diese Ex-Stasi-Mitarbeiter schon rund 20 Jahre in unserer Behörde arbeiten. Wir können Leute ja auch nicht verstecken. Das wäre unwürdig. Wir sind öffentlich, wir haben Kundenkontakt. Es geht darum, dass unsere Behörde, die die Aufarbeitung der Tätigkeit der Staatssicherheit zum gesetzlichen Auftrag hat, glaubwürdig ist. Und daher ist es besser, wenn diese Mitarbeiter nicht mehr in unserer Behörde arbeiten.

Kritiker werfen Ihnen vor, der Fingerzeig auf diese 47 Mitarbeiter habe mit Versöhnung nichts zu tun.

Das Gegenteil ist der Fall. Ich möchte Versöhnung möglich machen. Dazu gehören immer zwei Seiten. Die Ex-Stasi-Mitarbeiter sollen eine zweite Chance bekommen, aber das darf nicht heißen, dass die Empfindungen der Opfer ignoriert werden.

Gutachten

Sie warten jetzt auf die Ergebnisse des arbeitsrechtlichen Gutachtens. Wie geht es weiter?

Das Gutachten prüft etwa, welche rechtsstaatlichen Möglichkeiten es gibt, dass diese Mitarbeiter in anderen Behörden arbeiten. Ich will, dass die Probleme nicht verdrängt, sondern gelöst werden. Wenn ich bei Veranstaltungen unterwegs bin, finden es viele absurd, dass ausgerechnet in unserer Behörde Leute arbeiten, die früher hauptamtliche Stasi-Offiziere waren.

Es heißt, Ihr Vorgänger Joachim Gauck brauchte die Stasi-Offiziere, weil nur sie wussten, wie das System funktioniert.

Es ist müßig darüber zu befinden, wie das Problem entstanden ist. Ich kann nur sagen, es gab schon immer Streit darüber, ob die Leute notwendig waren oder nicht. Für mich war dieses Argument nie überzeugend. Die Mehrzahl der Ex-Stasi-Offiziere unter den Mitarbeitern wurde allerdings auch erst 2006 in der Öffentlichkeit bekannt. Marianne Birthler hat immer wieder darauf hingewiesen, dass das eine schwere Hypothek ist.

Ex-Stasi-Offizier an der Pforte


Wann haben Sie davon erfahren? Bis vor kurzem war immerhin der Stasi-Offizier, der 1983 in Jena den Abschlussbericht zu Ihrem Fall verfasst hat, in der Grundsatzabteilung tätig.

Ich habe früher als Journalist im Stasi-Archiv recherchiert und fand es absurd, dass mich Ex-Stasi-Offiziere an der Pforte abholen. Kürzlich habe ich erst mit Frauen gesprochen, die aus politischen Grün­den inhaftiert waren. Sie haben mir gesagt, wie wichtig es ist, dass diese Behörde glaubwürdig ist. Eine Frau sagte: „Bringen Sie diese Stasi-Offiziere doch mal mit. Vielleicht kommen sie dann selbst darauf, dass es eine Zumutung für uns ist“.

Haben Sie mit den 47 Leuten schon geredet?

Ja, für mich ist das selbstverständlich. Es gab auch gegenseitiges Verständnis. Wichtig ist, dass wir gemeinsam eine Lösung finden. Zur Versöhnung gehört auch, dass die Täter von damals bereit sind, ein Zeichen zu setzen, dass sie glaubhaft bereuen. Vielleicht können die Opfer dann auch vergeben.