Herne. Im neuen Stück des Volkstheaters wird ein einschneidendes Ereignis der Ruhrgebietsgeschichte verarbeitet – und nur in Herne wird es gefeiert.

Mit einer Karriere im Sprechtheater wird es für Hernes OB wohl nichts mehr – arg hölzern geriet Frank Duddas Gastauftritt bei der Premiere der neuen Mondpalast-Komödie „Wanner Eck – Was lange währt, wird endlich gut“. Damit hielt selbst seine Szenenpartnerin Melanie Linka nicht hinterm Berg, augenzwinkernd natürlich. Denn der Ausflug des städtischen Spitzenbeamten in die Schauspielerei hatte planmäßig nur Stippvisitencharakter: Noch in der ersten Szene des neuen Stücks übernimmt eine Tonbandaufzeichnung seinen Part, der OB mischt sich fortan nur noch akustisch ins Geschehen ein – über die Gegensprechanlage seines Bürovorzimmers.

„Wanner Eck“ im Mondpalast: Auftragsarbeit für Städteehe-Jubiläum

Dass Dudda überhaupt auf der Bühne steht, zeigt: Das neue Stück im Mondpalast (Buch: Thomas Rech, Regie Martin Zaik) ist ein besonderes, eine Auftragsarbeit auf Geheiß des prominenten Statisten selbst. 50 Jahre Städteehe sind der Anlass, denn am 1. Januar 1975 wurde aus Wanne-Eickel und Herne das „neue Herne“. Das soll gefeiert werden, auch wenn die Verbindung der beiden Kommunen naturgemäß nie restlos glücklich war. Begeistert habe er zugesagt, als der OB ihm beim Weißwein seine Idee von einer Komödie zur „Goldenen Hochzeit“ unterbreitet habe, so erinnert sich Mondpalast-Direktor Marvin Böttcher – und erst am nächsten Morgen ernüchtert die Brisanz der Aufgabe erkannt. Mut machte ihm indes die Erfolgsgeschichte des eigenen Stücks „Ronaldo und Julia“, denn in der bringe man ja seit langem sogar die Liebe zwischen Schalke und Dortmund auf die Bühne.

Podiumstalk vor der Komödien-Premiere im Mondpalast

Dennoch: Die Feier zum 50. Jahrestag der Städtefusion ist einzigartig im Revier. Schließlich verschmolzen damals zeitgleich noch viele weitere Kommunen miteinander – oder wurden vom größeren Nachbarn geschluckt: Im Zuge der Neugliederung im Ruhrgebiet wurden etwa aus Rheinhausenern und Walsumern Duisburger, aus Kettwigern wurden Essener und aus Wattenscheidern wurden Bochumer. Festlich begangen wird das nirgendwo, nur in Herne. Dort freilich entging man mit der Städteehe einem weit „schlimmeren Schicksal“: Ursprünglich sollten Herne wie Wanne-Eickel zu Bochumer Stadtteilen werden. So war die Fusion schließlich doch die bessere Alternative, wie auch die Teilnehmer eines Podiumstalks vor Beginn des Stücks (u.a. mit Frank Dudda und Regierungspräsident Heinrich Böckelühr) befanden.

Festakt der Städteehe von Herne und Wanne-Eickel
„Hammerhart schlägt unser Herz für Wanne-Eickel“: Die Verschwörer um den „Steiger“ (re.) wollen das Städteehe-Jubiläum sabotieren (v.li.: Astrid Breidbach, Dominik Brünnig, Silke Volkner, Heiko Büscher, Axel Schönnenberg). © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Im „Wanner Eck“ wiederum können sich manche Wanne-Eickeler auch nach einem halben Jahrhundert nicht damit abfinden, Herner zu sein. In der titelgebenden Kneipe treffen sich regelmäßig fünf renitente Alt-Wanner zum Schmieden aufständischer Pläne gegen die „feindliche Übernahme“ – konspirativ auf der Kegelbahn. Reingelassen wird nur, wer das Klopfzeichen kennt; Decknamen wie Schlegel, Hauer und Hunt sollen die Identität der Verschwörer verschleiern. Die resolute Wirtin Ulla (Silke Volkner) wiederum kann sich ihren Spott ob des Heimlichgetues und der markigen Sprüche („Hammerhart schlägt unser Herz für Wanne-Eickel“) nicht verkneifen. Besonders der Vorsitzende Steiger, dem Axel Schönnenberg herrlich halsstarriges Profil verleiht, gibt sich unerbittlich.

Von der Nordsee an die Emscher

Derweil tritt im Büro des Oberbürgermeisters ein Neuling seinen Job an: Dr. Elias Meyer-Nebeling (Marc Neumeister) kommt aus Husum an der Nordsee zur Emscher – weil er unbelastet ist im innerstädtischen Stadtteilzwist zwischen Wanne-Eickelern und Hernern. Auf seinem Schreibtisch steht ein Leuchtturm, das Ruhrpott-Idiom will er sich per Handy-App aneignen, seiner Aufgabe jedoch fühlt er sich nicht gewachsen: Der OB hat Ruch bekommen von einer Untergrundgruppe, die die Feierlichkeiten zum Jubiläum der Städteehe sabotieren will, das Nordlicht soll sie ausfindig machen. Stattdessen flüchtet er sich in ein Date – ausgerechnet mit Wirtin Ullas Tochter – und krabbelt am nächsten Morgen derangiert und in Unterhose über die Kegelbahn. Der Handlung dient das nicht, aber für Lacher vom Boulevard reicht es allemal. Erst recht, als Dr. Meyer-Nebeling seine Kondome zählt, um Licht ins nebulöse Geschehen der vergangenen Nacht zu bringen ...

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Unter den Verschwörern wiederum sät Stempel, Tochter eines türkischen Arbeitsmigranten, erste Zweifel an der Richtigkeit der Sabotagepläne. Ihr Enkel Justin-Yussuf wisse noch nicht mal, dass Wanne-Eickel zu Herne gehöre – was solle also das ganze Gewese. Dem hilflosen Meyer-Nebeling springt wiederum OB-Sekretärin Martina (Melanie Linka) bei und versucht die Verschwörer umzustimmen. Bei einem Geschichtsexkurs führt sie Steiger & Co. vor Augen: Schon vor zweihundert Jahren seien Herne und Wanne-Eickel mal vereint gewesen, die Verbindung habe also Tradition. So recht folgen können die Revoluzzer nicht ( „Dann stammt der Mensch vom Herner ab?! Mir wird schwindelig ...“ ), doch schließlich ist auch der knorrige Steiger bereit, das Kriegsbeil zu begraben. Er erweitert die Perspektive über die Stadtgrenzen hinaus aufs ganze Revier und macht sich bewusst: „Im Pott sind wir ja in erster Linie alle Kumpel!“

„Scheiß auf Shamrock, lang lebe Unser Fritz“

Was kann fürs perfekte Happy End jetzt noch fehlen? Richtig: Das Steigerlied – und dafür kommt bei der Premiere sogar der Ruhrkohle-Chor mit auf die Bühne. So singt zum Schluss nicht nur der ganze Saal, auch der Applaus ist gewaltig. Ob das Stück, das bei lokalen Anspielungen die lautesten Lacher hat („Scheiß auf Shamrock, lang lebe Unser Fritz“), zu einem Dauerbrenner im Mondpalast-Spielplan werden kann, muss sich noch zeigen. Bis Sonntag kann man es im Mondpalast nun erstmal zum Jubiläums-Sonderpreis von 19,75 Euro erleben (14./15.2. 20 Uhr, 16.2., 17 Uhr). Info: www.mondpalast.com