Berlin. Keiner hatte so viele Filme auf der Berlinale wie Rosa von Praunheim. Auch beim 75er-Jubiläum hat er eine Premiere. Ein Hausbesuch.
Rosa von Praunheim hält den Rekord mit den meisten Filmen auf der Berlinale. Seinen ersten zeigte er bereits vor 54 Jahren. Und er setzte auch sonst immer wieder Farbtupfer mit schrillen Outfits. Jetzt stellt er, zehn Jahre nach seinem letzten Berlinale-Beitrag „Härte“, mit 82 Jahren noch einmal einen neuen Film auf dem Festival vor: „Satanische Sau“. Grund genug für einen Hausbesuch bei dem Filmemacher.
Sie halten den Rekord mit den meist gezeigten Filmen auf der Berlinale. Wie viele sind es eigentlich?
Rosa von Praunheim: Ich habe ein bisschen den Überblick verloren. Ich glaube, es ist jetzt der 25.
Das sind gerade rosa Festspiele. Im Deutschen Theater läuft Ihre „Insel der Perversen“, in der Bar jeder Vernunft wird „Die Bettwurst“ wieder aufgeführt. Sie zeigen „Satanische Sau“ auf der Berlinale und im April startet noch ein neuer Film von Ihnen, „30 Jahre an der Peitsche“.
Ich bin jetzt 82. Eigentlich ist ja alles genug. Aber ich habe immer noch Lust zu arbeiten. Es ist wunderschön, kreativ sein zu dürfen.
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Worum geht es in „Satanische Sau“?
Es ist ein Tierfilm. Es kommen Affen und Schweine vor, und Fliegen.
Aber vor allem geht es um Sie.
Ich habe ja immer sehr persönliche Filme gemacht, auch mehrere Memoiren geschrieben, und im Theater gibt es mein autobiografisches Musical „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“. Ich sag’ das auch immer meinen Studenten: Es ist ganz wichtig, sich mit sich selbst zu beschäftigen, mit seinen Erfahrungen, seiner Realität. Viele scheuen sich da. Aber ich versuche, den Mut zu sich selbst zu geben. Mein Freund Olli sagt immer: Das darfst du nicht sagen. Aber ich bin total verliebt in mich.
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In „Satanische Sau“ lassen Sie einen Schauspieler Ihr Alter Ego spielen.
Armin Dallapiccola, ein wunderbarer Schauspieler. Die Zusammenarbeit war ganz toll, weil er schon sehr experimentell gearbeitet hat. Vor allen Dingen ist er eine schamlose Person. Der keine Angst hat vor Nacktheit und Extremen. Das gefällt mir. Der Film ist wie ein langes Gedicht. Ich habe ihn frei produziert, das ist alles no budget. Aber deshalb war ich auch keinen Zwängen unterworfen.
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Dallapicolla soll auch Ihren Tod spielen. Ein eigener Nachruf?
Ich finde, jeder muss seine eigenen Nachrufe machen. Das muss man schon selbst in die Hand nehmen. Wer weiß, was die Morgenpost sonst so zusammenschreibt? Es ist ein Film über den Tod, aber auch über Wiedergeburt. Das ist ganz wichtig.
Es ist die 75. Berlinale. Ist das noch mal was Besonderes, bei einem Jubiläum dabei sein zu dürfen?
Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Ich freu mich einfach nur, auf welcher Berlinale auch immer. Das Festival hat einen großen Wert. Weil auch viele aus dem Ausland kommen und den Film sehen können.
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Haben Sie Tricia Tuttle schon kennengelernt?
Ich hab sie bestochen! (lacht) Eine sehr sympathische Frau. Regina Ziegler hat vor ein paar Monaten eine kleine Welcome-Party für sie veranstaltet. Da habe ich ihr Geschenke mitgebracht. Daran haben die anderen nicht gedacht! Hoffen wir jetzt auf Frau Tuttle. Und auf gute Filme. Denn das Kino ist in Gefahr. Das ist die große Frage, wie weit sich das Kino noch durchsetzen kann.
Sie waren gleich mit Ihrem ersten Kinofilm auf der Berlinale. 1971 mit „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt.“ Wie ist Ihnen das gelungen?
Ich war gerade erst auf einem Empfang der Akademie der Künste. Das ist so ein Rentnertreffen, da waren Ulrich und Erika Gregor, die langjährigen Forums-Leiter. Und Frau Gregor sagte mir, dass Manfred Salzgeber vom Panorama, der damals so der Schwulenpapst war, in der Auswahlkommission gegen meinen Film war. Weil der zu provokativ sei. Frau Gregor rühmt sich, dass sie dafür gestimmt hat. Gerade das Kontroverse hat dann ja große Aufmerksamkeit erregt. Ich war wie im Rausch, war dann auch wahnsinnig arrogant und habe nur im Bett Castings gemacht. Dafür schäme ich mich heute. Das war aber nur kurz. Später hatte ich große Misserfolge. Das macht einen dann menschlich.
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Sie haben dann im Laufe der Jahre alle Festivaldirektoren der Berlinale kennengelernt.
Mir war vor allem das Panorama wichtig, mit Manfred Salzgeber und später Wieland Speck. Mit den Direktoren hatte ich nicht viel zu tun. Aber Dieter Kosslick kannte ich etwas besser. Ich bedaure sehr, dass er weg ist. Er war so humorvoll und locker. Genau was so ein Festival braucht. Dass da so eine Intrige von Filmemachern kam, fand ich sehr unwürdig.
Die Berlinale war ja auch das erste große Festival für queeres Kino.
Da war Manfred Salzgeber entscheidend. Das hat Wieland Speck, der ihm assistierte, dann beibehalten. Die beiden sind wirklich die Helden des schwul-lesbischen Kinos. Ich weiß gar nicht, wie sehr die Festivalleitung sie dabei unterstützte. Aber dann gab es ja sogar einen Preis, den Teddy. Und sie haben es geschafft, auch Politiker zur Teddy-Verleihung zu bekommen. Die war damit etabliert und anerkannt. Das setzte auch international ein Signal und machte Mut.
Wie hat sich die Berlinale im Laufe der Jahre gewandelt? Wie haben Sie das erlebt?
Ich denke an die Zeiten, wo es noch im Sommer war. Das war wunderbar, mit den Sommernächten oder bei den Partys am Wannsee. Der Winter ist immer anstrengender. Am Anfang war die Berlinale auch noch überschaubarer. Man hatte da einen Treffpunkt, da konnte man viele treffen und auch mal Festivalleitern aus dem Ausland auflauern. Ich habe den Trubel immer genossen. Und bin mit großer Lust hin. Schon zur Eröffnung, wofür ich gern schräge Sachen angezogen habe. Auch zu den Partys. Zu denen musste man aber erst mal reingelassen werden. Das war immer ein Kampf.
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Wirklich? Sie waren doch der Paradiesvogel.
Bei diesen Festveranstaltungen sind Männer immer so fantasielos und laufen als Pinguine rum. Da waren alle dankbar, wenn ich ein schräges Outfit hatte. Ich hab mich mal mit einem Schauspieler in ein Kostüm eingenäht. Und ich hatte diesen großen roten Federbusch. Wer im Kino hinter mir saß, fand das allerdings nicht komisch. Bei all dem Festivalstress gab es auch immer erotische Vergnügungen. Darüber muss man auch mal reden. Ich kenne viele, die hatten tolle Affären auf der Berlinale.
Und wie ist das heute?
Inzwischen ist es sehr anstrengend. Alles ist so groß geworden, dass man kaum noch Leute trifft. Aber dafür gibt es ganz viele Partys. und so viel Small Talk. Small Talk finde ich furchtbar.
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Sie haben auch Teddys gewonnen auf der Berlinale. Und eine Berlinale-Kamera für langjährige Verdienste für das Festival. Ist das eine besondere Auszeichnung? Ist das noch mal was anderes als ein Ehrenteddy?
Ich hab‘ ja relativ wenig Preise bekommen. Und war wahnsinnig neidisch auf Fassbinder. Oder auf Werner Schroeter. Weil die ständig große Preise kriegen. Na gut – auf Wikipedia ist verzeichnet, dass ich 1000 Auszeichnungen erhalten habe. Aber das ist mir trotzdem nicht genug. (lacht) Nee, Quatsch. Das alles ist nicht wichtig. Auch der Glamour, dass man ein bisschen beklatscht wird, ist das Wenigste. Wichtig ist nur, dass man einen Film auf dem Festival zeigen darf. Und dass der wahrgenommen wird.
Am letzten Berlinale-Tag ist Bundestagswahl. Das Festival versteht sich ja von jeher als ein politisches Festival. Werden die Leute das als Forum für sich nutzen?
Die Ausladung von AfD-Politikern letztes Jahr war ja ein riesen Aufschrei. Und wurde so aufgebauscht. Das hat denen nur geholfen. Aber ich finde es ja eigentlich gut, wenn Leute provozieren und ihre Meinung sagen. Nehmen sie nur all diese Danksagungen bei den Preisen: Die sind ja alle zum Kotzen, wenn da der Großmutter und wem sonst noch gedankt wird. Da freut man sich doch, wenn einer mal provoziert. Und man wieder einen Skandal hat.