Berlin. Die Schauspielerin über ihr spätes Debüt als Kinoregisseurin und warum es 13 Jahre dauerte, bis sie „Poison“ realisieren konnte.

Vor zwei Wochen erst ist sie 60 geworden. Nun legt Desirée Nosbusch noch mal ein spätes Debüt vor. Seit ihrem 12. Lebensjahr ist sie im Showbiz tätig, erst als Radio-Moderatorin und Kinderstar, dann auch als Schauspielerin. 2002 drehte sie auch schon einen ersten Kurzfilm. Aber erst jetzt stellt sie ihr Regiedebüt im Kino vor. „Poison“ ist die Verfilmung des Theaterstücks „Gift“ von  Lot Vekemans, das auch am Deutschen Theater mit großem Erfolg mit Dagmar Manzel und Ulrich Matthes zu sehen war. Ein Kammerspiel über ein ehemaliges Paar, das sich nach zehn Jahren am Grab des Sohnes trifft, dessen Tod sie auseinanderriss. Desirée Nosbusch hat das Stück selbst auf der Bühne gespielt, in ihrer Heimat Luxemburg. Warum sie es unbedingt verfilmen wollte, darüber haben wir mit ihr gesprochen.

Erstmal herzliche Gratulation nachträglich. Sie sind vor zwei Wochen 60 geworden.

Ich danke Ihnen.

Wie haben Sie den Geburtstag verbracht, wenn ich fragen darf?

Na ja, ich befand mich zu der Zeit in Los Angeles. Wegen der Feuer ist der Geburtstag sehr in den Hintergrund gerückt. Ich bin aber grundsätzlich kein großer Geburtstagsfeierer. Nie gewesen. Meine Kinder und ein paar Freunde haben mir aber doch ein schönes Fest bereitet, spontan zu Hause. Und da haben wir eher gefeiert, dass wir alle unsere Häuser noch haben, dass keiner verletzt ist und wir alle zusammen sein können. Damit konnte ich dann gut umgehen.

Ist der Start Ihres Kinofilmdebüts „Poison“ jetzt, zwei Wochen danach, so eine Art Geschenk, das Sie sich vielleicht auch selbst gemacht haben?

Ja, es ist schön, dass das gerade so zusammenfällt. So was plant man ja nicht. Und es hat ja wirklich lange gebraucht, bis ich das Projekt auf die Beine stellen und verwirklichen konnte. Dass die Premiere jetzt so zeitnah mit diesem Geburtstag zusammenfällt, der ja doch ein Meilenstein ist, das kann ich als schönes Geschenk annehmen.

Lesen Sie auch: Für zehn Oscars nominiert: „Der Brutalist“ zeigt den amerikanischen Traum als Albtraum

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Wir hatten über dieses Filmprojekt schon vor längerem gesprochen. Wie lange haben Sie „Poison“ schon im Kopf gehabt, und warum dauerte es so lange, das zu verwirklichen?

Es hat wirklich 13 Jahre gebraucht. Erst musste man mal die Rechte kriegen, dann wurde das Drehbuch so lange entwickelt, bis man das Gefühl hatte, dass es sich für die Kinoleinwand öffnet, aber das zugrundeliegende Theaterstück nicht verrät. Das war mir ganz wichtig, weil ich eine sehr große Liebe und Respekt vor der Arbeit von Lot Vekemans habe. Und dann die Finanzierung! Wenn man sagt: Hallo, das ist mein Spielfilmdebüt, zwei Menschen unterhalten sich 90 Minuten lang auf einem Friedhof über den Tod eines Kindes - Sie können sich vorstellen, dass einem dann gesagt wird: Wollen Sie vielleicht mit einer neuen Idee wiederkommen? Es hat da einige Überzeugungskraft gebraucht, bis ich das Budget zusammen hatte. Das, wovon ich dachte, dass es am schwierigsten würde, sprich gute Schauspieler und gute Namen zu finden, hat sich dagegen als ganz einfach herausgestellt. Denn ich habe wirklich nur Trine Dyrholm und Tim Roth angefragt, das war mein Wunsch-Cast. Und beide haben sich sofort in das Drehbuch verliebt und zugesagt.

Das heißt, Sie haben auch nie überlegt, die weibliche Hauptrolle selbst zu spielen? Das haben Sie ja 2013 auf der Bühne schon getan.

Nein, auf keinen Fall. Ich weiß auch gar nicht, wie Kolleginnen und Kollegen das machen, wenn sie selbst spielen und auch noch Regie führen. Davor habe ich Hochachtung. Aber ich würde das nicht wollen und weiß auch gar nicht, ob ich das könnte. Denn es sind zwei so unterschiedliche Sensibilitäten. Vor der Kamera musst du ja die Kontrolle aufgeben, musst vertrauen und dich fallen lassen. Dabei noch ein beobachtendes Regieauge zu bewahren, das könnte ich nicht. Ich liebe es vielmehr, hinter der Kamera zu sein und meine Schauspieler durch den Film zu tragen.

Lesen Sie auch: Katharina Thalbach & Corinna Harfouch: „Mit 70 darf man auch mal faul sein“

Filmpremiere 'Poison - Eine Liebesgeschichte', Filmfest München 2024
Nosbusch mit der niederländischen Bühnenautorin Lot Vekemans, die selbst das Drehbuch für „Poison“ schrieb. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Nikita Kolinz/Geisler-Fotopress

Sie haben schon 2003 Ihren ersten Kurzfilm inszeniert. Wie lange keimt schon der Wunsch in Ihnen, selber Regie zu führen? War das etwas, was Sie immer schon machen wollten?

Das fing an, als ich um die 30 war. Ich lebte in Los Angeles, und meine Karriere trat ein bisschen auf der Stelle. Rollen, die ich gerne spielen würde, wurden mir nicht angeboten. Sondern nur solche, bei denen ich das Gefühl hatte, das sind Wiederholungen, das habe ich schon mal gemacht. Ich sagte mir aber, ich kann nicht immer anderen die Schuld geben, ich bin ein Typ, der selber was tun muss, um das zu ändern. Geschichten erzählen ist ja immer schon meine Leidenschaft gewesen, in welcher Form auch immer, ob im Radio, als Schauspielerin oder als Moderatorin. Ich habe ja kein Abitur - ein ewiger Komplex in meinem Leben. Aber in den USA konnte ich auf dem zweiten Bildungsweg doch studieren. Ich habe erst Produktion und Entwicklung gelernt, aber bald gemerkt, das ist nicht das, was mich antreibt. Und dann habe ich mich an die Regie getraut und wirklich Blut geleckt. Das lag auch daran, dass ich grandiose Dozenten hatte, Mel Brooks und Rob Reiner, um nur zwei Namen zu nennen. Der Kurzfilm war dann meine Abschlussarbeit und hat in Amerika auch Preis gewonnen. Aber in Europa bekam ich damit keinen Fuß auf den Boden. Mir wurde gesagt, das sei zu amerikanisch. Ich war in meinem Selbstwertgefühl noch nicht so weit, dass ich das wegschieben konnte. Ich wollte auch nicht lesen: Mein Gott, sie spielt, sie moderiert, muss sie das jetzt auch noch machen? Es hat lange gedauert, bis ich das Gefühl hatte, jetzt ist der Moment da, jetzt trau ich es mir zu.

Sie haben seit der Serie „Bad Banks“ ja noch mal einen richtig großen Karriereauftrieb erfahren, mit vielen starken Rollen. Hat das geholfen, diesen Film voranzutreiben? Oder hat es ihn im Gegenteil eher verzögert, weil Sie plötzlich so viele schöne Rollen spielen durften?

Es ist beides. Es hat ein bisschen gebraucht, weil ich viel gespielt habe. Aber natürlich hat das auch geholfen. Das hat auch mit deinem inneren Zustand zu tun. Der Erfolg von „Bad Banks“ hat bei mir auch zu einer gewissen Sicherheit geführt, dass ich dachte, ich bin schon richtig hier. Ich gehöre zu denen, die glauben, dass die Dinge dann entstehen, wenn die Zeit reif ist. Man kann das nicht erzwingen, kann es auch nicht pushen. Sie entstehen, wenn sie sein sollen. Insofern gucke ich da auch nie in den Rückspiegel. Klar, wäre Corona nicht gewesen, hätten sich bei Festivals nicht all diese guten Filme angestaut, wäre alles vielleicht schneller gegangen. Aber es ist müßig, darüber nachzudenken. Für mich ist es schon ein Erfolg, wenn ein Film entstanden und da ist. Jetzt muss er sein Publikum finden. Aber was ich so erlebte, scheint er auf fruchtbaren Boden zu fallen.

Lesen Sie auch: Thriller-Autor Sebastian Fitzek: „Ich kann nachts gut schlafen“

Sie waren ihre Wunschbesetzung: Trine Dyrholm und Tim Roth.
Sie waren ihre Wunschbesetzung: Trine Dyrholm und Tim Roth. © Filmwelt | Filmwelt

Ist ein Kammerspiel wie „Poison“ ideal für ein Regiedebüt? Wenn man nur zwei Darsteller und ein überschaubares Setting hat und sich ganz aufs Wesentliche konzentrieren kann?

Ja, bestimmt. Allerdings ist es auch so, wenn das dann nicht hinhaut, ist der Film durch. Weil es nichts gibt, was davon ablenkt. Aber das hat mich gereizt: die Gespräche um die großen Fragen, die wir uns im Leben so stellen. Und ich bin eine große Bewunderin von großartigen schauspielerischen Leistungen. Insofern war das genau das Richtige. Ich hätte mir kein Erstlingswerk vorstellen können mit zwölf Schauspielern, einer Blaskapelle und trabenden Pferden. Aber natürlich muss ich mich da beim nächsten Projekt auch ein bisschen öffnen. Aber es kommt immer auf die Geschichte an. Die muss dich vibrieren, muss dich innerlich brennen lassen. Dann entsteht auch die Vision für einen Film.

Sie haben auf einem echten Friedhof gedreht. Ist das nicht irgendwie makaber?

Für mich nicht. Ich hege eine große Liebe für Friedhöfe. Schon als Kind bin ich mit meiner Oma nicht auf den Spielplatz, sondern auf Friedhöfe gegangen. Ich habe umgekippte Blumentöpfe wieder aufgestellt, habe mir angeguckt, wie alt die Menschen waren, die da lagen, und mir Geschichten überlegt, wieso die wohl verstorben sind, warum da ein so junger Mensch liegt. Das ist wie eine Marotte, das tue ich heute noch. Als ich in Vilnius war zu den „Sisi“- Dreharbeiten, ging mein erster Weg zu diesem berühmten, alten Friedhof dort. Das sagt wahnsinnig viel über eine Kultur aus, wie sie mit ihren Toten umgehen, ob die Gräber gepflegt werden oder nicht.

Lesen Sie auch: Cameron Diaz und Jamie Foxx im Interview: „Ein Comeback für uns beide“

Desirée Nosbusch (Mitte) bei den Dreharbeiten mit Tim Roth (r.) in der Friedhofskapelle.
Desirée Nosbusch (Mitte) bei den Dreharbeiten mit Tim Roth (r.) in der Friedhofskapelle. © Filmwelt | Filmwelt

Der Film handelt von Trauer, von Verlust und wie unterschiedlich man damit umgeht. Erlauben Sie mir die persönliche Frage: Wie gehen Sie mit Trauer um?

Ich bin jemand, der in Ängste reingeht. Ich laufe nicht davor weg. Weil ich gemerkt habe, dass es mich immer wieder einholt. Es gab auch Jahre, wo ich das versucht habe. Wo ich die Augen verschlossen habe. Aber dieser Satz, dass die Zeit Wunden heilt, der stimmt halt nicht. Zeit bringt einem nur bei, besser damit umzugehen. Es nimmt einem nicht mehr dauerhaft den Atem. Aber der Schmerz wird nicht geheilt. Ich habe auch lernen müssen –, deshalb hat mich auch „Poison“ so gereizt –, dass man nicht gemeinsam trauern kann. Ich dachte schon, dass man als Familie, als Eltern oder als Paar zusammen trauern kann. Aber das kann man nicht. Jeder trauert anders, und es gibt kein richtiges und kein falsches Trauern. Ich bin jemand, der sehr viel Zeit braucht und viel mit sich selbst ausmachen muss. Ich kann erst darüber reden, wenn ich an einem Punkt bin, wo ich damit leben kann.

Sie haben schon gesagt, dass Sie Blut geleckt haben. Gibt es schon ein konkretes Projekt? Und werden Sie auch künftig mehr Regie führen?

Es gibt sogar zwei Projekte, die in der Entwicklung sind. Vom ersten gibt es schon eine erste Drehbuchfassung, eine nordirische Geschichte. Wenn alles gut läuft, könnten wir Anfang nächstens Jahres drehen. Aber das kann sich ja alles noch verschieben. Deshalb bin ich da sehr vorsichtig. Über den zweiten Film möchte ich noch nichts sagen, dass ist auch ein bisschen mit einer Überraschung verbunden.

Aber das heißt, nach dem langen, zähen Ringen, bis „Poison“ zustande kam, wird das nun flüssiger laufen?

Na ja, ich habe ja nicht mehr so viel Zeit! Wenn ich es noch mal 13 Jahre brauche, werde ich den Film vielleicht nicht mehr im Kino sehen.