Berlin. Der Berliner Schauspieler über seinen neuen Film „Pfau - Bin ich echt?“ und die Krux, wie man aus fordernden Rollen wieder rausfindet.
Er hat sich in wenigen Jahren zu einem der ganz großen deutschen Filmstars hochgearbeitet. Albrecht Schuch schien in letzter Zeit fast auf den Deutschen Filmpreis gebucht zu sein, bekam die interessantesten Rollen der Branche und war zuletzt in Großproduktionen wie „Berlin Alexanderplatz“ oder dem Oscar-Erfolg „Im Westen nichts Neues“ zu sehen. Nun überrascht er mit einer vergleichsweise kleinen österreichischen Produktion: In „Pfau - Bin ich echt“ spielt er einen Companion, den man buchen kann und der dann den perfekten Begleiter gibt. Er ist ein Ass in diesem Sektor, weiß darüber aber bald nicht mehr, wer er selbst ist. Sagt das auch was über den Beruf des Schauspielers aus? Dazu haben wir Albrecht Schuch im Dorint Hotel gesprochen.
Herr Schuch, „Pfau“ ist eine schöne, feine Satire. Dabei sieht man Sie sonst nie in Komödien. Fragt man Sie da nicht an? Oder musste man Sie erst überreden, weil das gar nicht Ihr Genre ist?
Albrecht Schuch: Das ist absolut mein Genre! Bloß ist das hierzulande leider selten mein Humor. Also wenn Maren Ade mich gefragt hätte, hätte ich sofort mitgemacht. „Neue Vahr Süd“ war schon auch eine Komödie, auch davon können wir gern eine Fortsetzung drehen. Mit Hermine Huntgeburth arbeite ich sofort noch mal!
Dann ist das jetzt vielleicht kein Zufall, dass „Pfau“ keine deutsche Komödie ist, sondern eine österreichische, weil die einen anderen, fieseren, spannenderen Humor hat?
Den österreichischen Humor gibt es ja eigentlich nicht. Aber Sie sagen es schon: Der hat noch mal was Fieseres. Da schneidet man sich nicht einfach so an einem sehr scharfen Messer, der Schnitt bleibt.
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Ihre Filmfigur Matthias ist ein Mann für gewisse Stunden. Quasi ein Mann ohne Eigenschaften, der nur Rollen spielt. Ist das eine besondere Herausforderung, jemanden zu spielen, der eigentlich gar keinen Charakter hat?
Ja, das war die größte Herausforderung. Ich war von der Gesamtkomposition so beeindruckt, die Bernhard, es ist ja sein erster Langspielfilm, da aufs Papier gesetzt hat: so minutiös und so fein. Aber das Casting hat überhaupt keinen Spaß gemacht. Das war so ein Abarbeiten: Wie erzählt man so was, wie spielt man so eine Leere, so ein weißes Blatt Papier? Und trotzdem ist da ja nicht nichts. Da war ja mal was. Dieses Verborgene, Versteckte zu finden, war die größte Schwierigkeit.
Ich finde es zu verrückt, Menschen zu buchen, die der perfekte Sohn, der perfekte Freund, der perfekte Begleiter sind. Ist das auch ein Spiegel unserer Gesellschaft, wo es immer mehr um Zweckoptimierung geht?
So wie wir es zeigen, ist es natürlich eine Überspitzung. Aber es gibt auch hierzulande schon erste Agenturen, die so etwas anbieten.
Studien belegen, dass gerade jüngere Menschen durch Social Media immer mehr zu einer gewissen Oberflächlichkeit tendieren. Ist das der Weg, der im Film nur leicht zugespitzt ist, dass man nur noch auf seine Oberfläche achtet?
Ich glaube nicht, dass man einfach so seine Emotionen ausschalten kann. Aber wenn man sie ausblendet, was ja in den sozialen Medien meist passiert, wenn man Unebenheiten der eigenen Persönlichkeit immer nur glatt zu bügeln versucht, dann müssen die Gefühle irgendwann an anderer Stelle raus. Das kann nicht gesund sein und wird am Ende vielleicht sogar pathologisch. Ich glaube nicht, dass man, nur weil man die ganze Zeit die Oberfläche bedient, automatisch oberflächlich ist. Aber der Abgrund wird dadurch tiefer.
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Companien-Agenturen gab es zuerst in Japan. Sie sagen, es gibt auch schon welche in Deutschland. Haben Sie da recherchiert?
Hierzulande habe ich nicht recherchiert. Aber das Drehbuch von Bernhard fußt ja auf einer Begegnung, die er hatte, das war in Japan oder Südkorea, mit einem Menschen, der genau das macht wie Matthias im Film, und über seine Gefühlslage gesprochen hat. Das hat mir völlig gereicht. Dafür wollte ich diesmal lieber eigene Gleichnisse finden. Und gar nicht so weit weggehen, sondern auch was darüber erzählen, was ich wahrnehme, auf der Straße oder auch von mir. Weil alles schon so künstlich war, musste ich den Ton eher persönlich halten. Wenn es zu weit weg ist, fehlt irgendwann der Anker. Es braucht aber die Verbindung.
Matthias ist letztlich ein Schauspieler. Was sagt das über Ihr Metier? Als Schauspieler schlüpft man auch ständig in andere Rollen, hat man da manchmal auch dieses Gefühl der Leere?
Ja. Das ist so eine emotionale Mattheit, die hin und wieder aufkommt. Es kommt aber auch auf die Rolle an. Natürlich ist das oft aufregend, andere Städte und Länder zu bereisen, und das in diesem Klassenfahrt-Charakter mit einem Filmteam zwischen zehn und 100 Menschen. Und da sind wir noch nicht mal bei der Rolle. Wenn die dann ein bestimmtes Gefühlsmuster hat, braucht es manchmal ein bisschen, um zum Eigenen zurückzukehren. Auf der Schauspielschule, darüber habe ich schon mit vielen Kollegen gesprochen, haben wir zwar zehn verschiedene Techniken erlernt, wie man sich einer Rolle annähern kann, – aber keine einzige, wie man wieder rauskommt. Das habe ich mir irgendwann selbst beigebracht. Bei Rollen wie Uwe Mundlos kam ich einfach nicht mehr daran vorbei, mir Gedanken darüber zu machen, wie ich es schaffe, diese Aggression, diese Menschenverachtung, die dieser Mensch hatte und die irgendwie in Form von Emotionen bei mir dann fuselmäßig zurückgeblieben sind, bewusst wieder rauszukehren. Wir arbeiten ja viel unterbewusst und mit situativen Entscheidungen. Aber da musste ich mir ein paar Tricks und Werkzeuge zurate ziehen. Ich war ja kurz davor, das Ganze an den Nagel zu hängen, weil es mich so traurig gemacht hat.
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Wann war das? Wegen des NSU-Films?
Ja, ich habe das total unterschätzt. Wir feierten damals die Filmpremiere von „NSU – Die Täter“. Und eine Woche später bin ich in ein Loch gefallen. Ich habe gemerkt, was da eigentlich unbearbeitet ist. So habe ich mir Gedanken darüber gemacht, musste ich sie mir machen. Um so was wie „Berlin Alexanderplatz“ überhaupt wieder spielen zu können. Und auch Lust darauf zu haben.
Es ist wirklich verrückt, dass man lernt, wie man in Rollen findet, aber keiner einen an die Hand nimmt, wie man wieder zurückfindet. Müsste man nicht erfahrene Schauspieler an Schauspielschulen schicken, die darüber mit den Schülern sprechen?
Ich komme an jede Schauspielschule und rede gern darüber. Denn das ist weiterhin ein echtes Tabuthema. In Amerika noch extremer, wie ich hörte. Ein ganzer Apparat lebt ja davon, dass es krasse Geschichten braucht: Der Schauspieler hat sich aufgerissen, Method Acting, und war ein Jahr so, kaum wiederzuerkennen, abgemagert, es ging ihm schlecht. Das ist vielleicht auch ein Erfolgs- und Verkaufskonzept einer Vermarktungs-Industrie. Aber man muss nicht verrückt und krank werden, um genial zu sein in diesem Beruf. Im Gegenteil. Wenn man das bewältigt, habe ich mehr Lust, ins Verrückte reinzugucken, als wenn ich Angst haben muss, davon was abzubekommen.
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Welche Techniken haben Sie entwickelt, um aus Rollen rauszukommen? Können Sie das benennen? Oder ist das auch ein Berufsgeheimnis?
Es gibt ein paar privatere Dinge, das unterscheidet sich auch von Rolle zu Rolle. Aber was immer stattfindet, ist Wasser. Bevor man nach getaner Arbeit unter die Dusche geht. Oder ins Schwimmbecken eintaucht. Das ist gar nicht so intellektualisiert, das sollte auch eher etwas Einfacheres sein. Es gehtum einen bewussten Vorgang, so wie man für eine Rolle einen Text bekommt, sich anzieht und Schminke ins Gesicht bekommt, so muss man das auch wieder ablegen und zur eigenen Persönlichkeit zurückkehren. Ich finde, das hilft. Und das gilt auch nicht nur für Schauspielende. Das höre ich auch von befreundeten Lehrern oder Ärztinnen.
Der Job hört beim Filmschauspieler nicht mit dem Dreh auf. Da gibt es ja noch die PR-Arbeit und die Premieren. Muss man als öffentliche Person immer schauen, dass man perfekt ist? Verstellt man sich da auch?
Das ist so ein Zwischending. Das ist keine Rolle, aber das bin auch nicht ich als Privatperson. Ich gebe zu, dass diese Filmpremieren und roten Teppiche nicht so meins sind. Aber ich musste damit umgehen lernen. Und auch dafür eine Technik finden. Ich ziehe dann etwa Kleidung an, die ich privat nicht trage. Und ähnlich ist es, wenn ich Interviews gebe. Ich möchte schon persönlich werden, aber nicht privat. Das ist ein Unterschied, auf den ich Wert lege. Es gibt Dinge, die ich für mich behalten möchte. Albrecht Schuch muss auch einen Schutzraum haben.
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Noch eine ganz andere Frage: War es nach Großproduktionen wie „Im Westen nichts Neues“ oder „Berlin Alexanderplatz“ eigentlich schön, mal wieder einen kleineren Film zu drehen?
Das ist immer die Frage, was ein kleinerer Film ist. „Pfau“ war ein Regiedebüt, das hatte noch mal andere Herausforderungen, weil alle noch etwas unerfahrener waren und man sich darauf anders vorbereiten musste. Aber klar, es ist schon was anderes, wenn wie bei „Im Westen nichts Neues“ 500 Leute am Set sind, da muss jeder funktionieren. Letzten Endes ist mir aber egal, ob ich einen „großen“ oder „kleinen“ Film drehe. Es geht mir immer um die Geschichte, die erzählt wird.
Haben die Oscars für „Im Westen nichts Neues“ sich eigentlich für Sie ausgewirkt? Gibt es jetzt andere, auch internationale Angebote?
Ich habe gerade „Hijack 2“ mit Idris Elba gedreht, da kommen auch noch viele spannende Geschichten. Aber auch da geht es letztlich immer darum, wie interessant eine Geschichte ist. Da ist mir egal, wo sie gedreht wird.
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