Berlin. Die Regisseurin spricht über ihren neuen Film „Wunderschöner“ - und verrät, dass sie erst mal genug vom Filmemachen hat.
Längst ist die Schauspielerin Karoline Herfurth auch als Regisseurin erfolgreich. Und überrascht nun mit ihrem fünften Regiefilm „Wunderschöner“, der am 13. Februar ins Kino kommt und am 4. Februar Premiere im Zoo Palast feiert. Der ist ihr erstes Sequel - die Fortsetzung der Tragikomödie „Wunderschön“ aus dem Jahr 2022, die aber nicht nur neue Figuren einführt, sondern auch eine ganz andere Tonalität setzt und schwierige Themen verhandelt, die ihr sehr wichtig sind. Ein mutiger Schritt, mit dem die Filmemacherin einen Teil ihrer Fangemeinde aber auch enttäuschen könnte. Darüber haben wir mit der 40-Jährigen im Hotel Dorint gesprochen.
Ihr neuer Film ist Ihr erstes Sequel als Regisseurin. „Wunderschöner“ ist die Fortsetzung von „Wunderschön“. Setzt man sich mit so einem Titel nicht unter Druck? Weil es noch schöner, noch besser werden muss?
Karoline Herfurth: Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Mir ging es gar nicht um die Steigerung des Wortes, sondern um das „Er“ im Wort „Wunderschön-er“ und damit den inhaltlichen Perspektivwechsel. Ich muss gestehen, ich hatte ursprünglich gar keine Lust darauf, einen zweiten Teil zu entwickeln. Eigentlich haben wir einen anderen Film entwickelt, die Geschichte von Nadine.
Eine Ehefrau,die erfährt, dass Ihr Mann, ein Politiker, etwas mit einer Prostituierten hatte, die sie dann ins Haus holt.
Wir merkten immer mehr, dass das die logische Konsequenz des ersten Films ist. Dort haben wir vom Körperdruck erzählt, und wenn man das Thema weiterdreht und tiefer gräbt, kommt man relativ schnell zum Thema Sexualität. Und dann zur Frage, wie frei wir in unserer Sexualität überhaupt sind und ob wir eigentlich eine gute Sprache für Konsens entwickelt haben. Wie viele Frauen trauen sich nicht, Nein zu sagen? Und wie vielen Männern ist das egal? Wie erkennt man, ob man sich gerade in einer Kuss-Situation befindet? Das Schöne am episodischen Erzählen ist, dass man ein solch komplexes Thema aus verschiedenen Aspekten erzählen kann. Lustige, romantische und eben auch dramatische. Deshalb haben wir Nadines Geschichte eingebettet in die Welt der bereits bekannten Figuren. Und mit denen weiter die Welt zu erforschen, war unglaublich schön. Weil ich sie natürlich sehr liebgewonnen habe.
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Sie gehen da einen mutigen Schritt. Man erwartet eine Fortsetzung der Komödie, aber dann gibt es eine ganz andere Tonalität. Und ein sehr viel ernsteres Thema. Ist das auch ein Trick, die Zuschauer ins Kino zu locken und an ein Reizthema heranzuführen, das sich einige sonst vielleicht nicht anschauen würden?
Nein, das wäre kein kluger Schachzug. Die Tonalität ist im zweiten Teil definitiv weniger lieblich und weniger sanft. Auch das ist eine für mich logische Konsequenz. Ich hatte das Gefühl, die Welt und die Figuren von „Wunderschön“ haben sich weiterentwickelt und das Thema eben auch. Aber ich befürchte schon, dass manche Zuschauer mehr Feelgood erwarten und dann vielleicht ein wenig überrascht sein werden über den Tonalitätswechsel.
Der Trailer zum Film forciert vor allem die komischen Momente.
Finden Sie? Im Trailer sagt Lilli aber schon: „Du hast dir eine Frau gekauft“. Und auch der Übergriff beim Kuss im Biergarten wird gezeigt. Das deutet schon an, dass es ans Eingemachte geht. Ich hatte einfach das Gefühl, als Filmemacherin dahin gehen zu müssen um der Wahrhaftigkeit der Geschichte und den Figuren gerecht zu werden. Und dass ich der Angst widerstehen muss, die eine oder den anderen zu überraschen oder vielleicht auch zu enttäuschen.
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Am Ende des ersten Teils glaubte man, Emilia Schüle hätte sich befreit, als sie das Modeln aufgegeben hat. Jetzt tappt sie in die nächste Falle, weil sie ein Praktikum in einer Fernsehsendung macht und dabei von einem Aufnahmeleiter bedrängt wird. Ein typischer #Metoo-Fall. Hat sich da etwas geändert durch die Debatte der letzten Jahre. Oder ist das immer noch traurige Normalität?
Den Widerstand, den Frauen erfahren, wenn sie Übergriffe publik machen, den gibt es definitiv noch. Und das erzählen wir im Film noch sehr verträglich und zurückhaltend. So etwas aufzudecken oder anzuzeigen, kostet eine unglaubliche Kraft. Das ist ja leider deutlich abzusehen an den Diskussionen der letzten zwei Jahre in der Öffentlichkeit, was Frauen aushalten müssen, wenn sie Übergriffe öffentlich machen oder anzeigen. Und was sie auch im Rechtssystem aushalten müssen.
Am Ende gibt es ein Baseballspiel, bei dem ein Manager eine der Spielerinnen küsst und alle Zuschauer im Stadion empört aufstehen. Ist das Wunschdenken, wie man auf einen solchen Übergriff reagieren müsste?
Die Szene ist ja eine Anspielung auf eine Szene, in der die Menschen nicht aufgestanden sind. In denen die Frauen erst aufstehen und sich zusammentun mussten. Es gibt eine großartige Dokumentation über diesen Kuss, wo es viel um Machtgefälle geht und um Bevorteilung von Männern im Sportbereich. Das lässt sich auf viele Gesellschaftsbereiche übertragen. Ich finde es schön, das so zu erzählen. Das ist noch ein bisschen Utopie und Märchen. Aber natürlich sollte es so sein, dass sich immer mehr Menschen schützend erheben.
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Ich finde es bewundernswert, wie Sie Ihre Popularität und Ihren Namen dafür einsetzen, solche Themen anzugehen. Treibt Sie das auch an, gerade weil sie so selten angegangen werden im deutschen Film?
Ich nehme mir nicht vor, einen politischen Film zu machen. Aber ja, ich will Geschichten erzählen, die mich bewegen und umtreiben. Ich glaube ja, dass alle Interaktionen, die wir machen, und alle Beziehungen, die wir führen, auch politisch sind. Deshalb weiß ich gar nicht, ob sich das trennen lässt. Ich finde es spannend als Filmemacherin, zu erzählen, wie sich in kleinen Alltäglichkeiten große Strukturen widerspiegeln. Das ist einfach ein Blick auf den jetzigen Zustand. Ich brauche nur nach links und rechts zu schauen und nehme all diese Dinge war. Ich finde es gut, ein Bewusstsein für diese Realitäten zu schaffen.
Nur links und rechts? Sie sind schon seit jungen Jahren im Filmgeschäft. Ist Ihnen sowas auch persönlich passiert?
Wo fangen wir da an? Wenn jemand durch eine Menschenmenge geht, wird eine Frau gern an der Hüfte weggeschoben, wenn sie im Weg steht, während man an Männern auch anders vorbeikommt. Mit der Erfahrung, der Gewöhnung daran und dem Selbstverständnis, dass ein weiblicher Körper ungefragt angefasst werden kann, bin ich groß geworden. Auch der Begriff von Sexualität, mit dem wir sozialisiert sind, ist ein patriarchal geprägter. Und auch ich bin in einem patriarchalen Bildungssystem groß geworden, in dem Frauen und ihre historischen Leistungen nicht gelehrt werden. Das hat also gar nichts mit meiner Branche zu tun. Das ist gesellschaftlich tief verankert. Aber klar: Als ich als Schauspielerin anfing, musste ich auch erst mal lernen, für mich einzustehen und Nein zu sagen. Und die Konsequenz, als zickig und schwierig zu gelten, auszuhalten. Wie viele Drehbücher habe ich bekommen, in denen eine obligatorische Sexszene vorkam, die für die Geschichte total unwichtig war? Da stand dann auch immer nur ein Satz. Was man am Set macht, war völlig unklar. Sowas wie Intimacy Coaches oder Closed Sets gab‘s da noch gar nicht. Und wenn man Bedingungen stellte, wie man sich wohler fühlte, galt man schnell als kompliziert. Dieses Klima, in dem Frauen groß werden, habe ich definitiv zu spüren bekommen.
Ihre letzten Filme starteten immer im Februar. Da ist Berlinale. Bringt man sich da nicht um ein paar Zuschauer? Und um mehr Aufmerksamkeit in der Presse?
Ja, das kann sein. Trotzdem ist der Februar ein guter Kinomonat. Weil es kalt ist und die Leute ins Kino gehen. Aber der Frühling klopft schon an die Tür, die dunkle Zeit hat man schon geschafft. Ich liebe diesen Starttermin. Auch, weil ich selbst den Winter mit der Arbeit am Film überbrücke.
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Und bei einem solch relevanten Thema und dieser neuen Tonalität: Haben Sie sich nie überlegt, „Wunderschöner“ für die Berlinale einzureichen?
Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich habe überhaupt keine Festivalerfahrung, nicht als Regisseurin, aber auch nicht als Schauspielerin. Damit kenne ich mich gar nicht aus. Mein Ziel war immer nur, einen Film zu machen, der möglichst viele Menschen bewegt, abholt und berührt.
Das schaffen Sie auch immer. Ihre Filme sind stets Kassenerfolge. Setzt einen auch das unter Druck?
Der größere Druck ist immer der, eine gute Geschichte zu erzählen. Und damit Menschen zu erreichen. Ich möchte nicht sagen, dass ich da gar keinen Druck spüre. Oder dass ich nicht enttäuscht wäre, wenn der Film floppen würde. Ich empfinde das Regieführen grundsätzlich als extreme Herausforderung. Dieses Eintauchen in eine Geschichte für eine so lange Zeit mit allen Details und der ganzen Verantwortung – ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das auf Dauer machen will. Ich bin gerade an einem Punkt, wo ich sage: Ich bin stolz, dass ich diesen Film gemacht habe, der mir wichtig war. Aber jetzt würde ich gern eine Zeitlang was anderes machen. Und erst mal gar nicht darüber nachdenken, was als Nächstes kommt. Ich habe jetzt ein halbes Jahr frei und werde endlich mal Luft holen und nur schöne Dinge tun. Und dann erst werde ich überlegen, wie ich weiter machen will. Ich liebe das Filmemachen, aber ich habe viel in diesen Teil meines Lebens investiert – jetzt ist der andere dran.