Dortmund. Der Kult-Filmregisseur („Jede Menge Kohle“, „Contergan“) über Fernsehkrimis, Verwurzelung im Revier und die Ruhrgebietssprache.
Adolf Winkelmann ist eine Marke. Also das, was man im Ruhrgebiet darunter versteht. Filme gedreht wie sonst keiner hier. Vater aller Ruhrgebietsfilme. Und, trotz aller Chancen, nie nach Hollywood gegangen. Nicht einmal aus Dortmund weg. Und aus gutem Grund nie einen „Tatort“ gedreht – „das sind doch keine Krimis, das sind Polizeifilme! Die Helden sind lauter Beamte. Was ist denn das für eine Sicht auf die Welt?“
Adolf Winkelmann im Kreuzverhör: „Der Boschmann, die Bilder und ich“
Ein Beamtengemüt wäre allerdings das Allerletzte, was man dem Alt-68er Winkelmann (78) nachsagen könnte. Er ist einer, der nie stillsteht. Und mit jedem Film Neuland betritt. „Jede Menge Kohle“ (1981) zog den Bergbau auf links, „Nordkurve“ (1993) war einer der wenigen Fußballfilme und dann doch so ganz anders. „Der letzte Kurier“ (1995/96) konterkariert konsequent das Schwarz-Weiß-Muster des Agentenfilms, „Der Leibwächter“ (1988/89) ist der etwas andere Krimi, „Junges Licht“ (2016) nach dem gleichnamigen Roman von Ralf Rothmann der wiederum etwas andere Ruhrgebietsfilm auf den Spuren von Gewalt und Entfremdung in den 50er/60er-Jahren.
Aber auch technisch ist Winkelmann mit jedem neuen Film neue Wege gegangen, wie er am Freitagabend in der ausverkauften Hörder Buchhandlung Transit schilderte, als ihn der Bottroper Ruhrgebiets-Verleger Werner Boschmann ins Kreuzverhör nahm. Anlass: Das Buch „Der Boschmann, die Bilder und ich“, das, auch wenn es der Titel kaum vermuten lässt, eine Art Filmbiografie des Adolf Winkelmann aufblättert.
Die verschweigt auch nicht die Täler dieser einmaligen Filmkarriere: „Nach einem Flop ist es gar nicht so schwer, einen neuen Film zu drehen, wie man meinen sollte,“ weiß Winkelmann, „es ist eher umgekehrt: Wenn man einen Preis gewonnen hat, ruft keiner mehr an...“ Ein Mega-Flop war ja „Super“ (1984), eine Science-Fiction-Polit-Satire, für die ein nagelneues Auto auf schrottreif getrimmt wurde und ein Star-Besetzung angeheuert, von Udo Lindenberg über Inga Humpe, Günter Lamprecht und Ulrich Wildgruber bis Gottfried John und Hannelore Hoger.
Adolf Winkelmann spricht voller Liebe und Respekt von den Toten
Ohne falsches Sentiment und doch einfühlsam spricht Adolf Winkelmann von den bereits Gegangenen. Seinem treuer, genialer Kameramann David Slama etwa oder seinem häufigen Co-Autor Jost Krüger, dem Stückeschreiber und Regisseur, dessen Hansa-Theater gleich nebenan in Hörde eine neue Heimat gefunden hatte. Und von dem der auch langfristig einschneidendste Satz aus „Jede Menge Kohle“ stammt: „Es kommt der Tag, da will die Säge sägen.“
Immer wieder Ruhrgebiet, dabei hätte Winkelmann doch nach Los Angeles gehen können, wie sein Sohn, der Filmproduzent, der irgendwann aufseufzte: „In Deutschland kann man einfach keine Filme produzieren.“ Nun, „jetzt macht er das da, und ich kann schön hierbleiben,“ grinst der Vater. Sie wollten ihn mal als Professor an die 1991 gegründete Filmakademie bei Stuttgart holen, das hat er sich angesehen – und dann gemerkt: „Ich kann hier nicht weg, das schaffe ich nicht.“
Adolf Winkelmann zieht immer wieder die Sprache ins Revier. Und: „Im Ruhrpott hat sich schon immer das richtige Leben abgespielt“
Warum? Na ja, schon als er in den 60ern in Kassel Grafik auf Lehramt studiert hat, kam er immer gern nach Dortmund zurück und kaufte irgendwas an der erstbesten Trinkhalle, nur um sich hinzustellen und den Leuten zuzuhören. Wonach er sich sehnte? „Jetzt nicht nach Tegtmeier. Aber nach den feinen Nuancen des Ruhrdeutschen. Das wird ja leider auch immer weniger.“ Und doch, „im Ruhrpott hat sich immer schon das richtige Leben abgespielt“, wird Winkelmann später sagen. So bleibt man 40 Jahre Filmprofessor an der FH in Dortmund.
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Winkelmann ist ein Macher, der immer weiter will. Seiner Filminstallation „Deutschlandfilm“ mit 35 Großleinwänden und Bildschirmen gehört zu den Stars der Expo 2000 in Hannover. Und seine „Fliegenden Bilder“ auf dem Dortmunder U-Turm sind die nach wie vor gelungenste Seite dieses Stadtumbau-Projekts mit Kosten von weit über 80 Millionen Euro.
Es ist die Neugier, die Adolf Winkelmann antreibt. Und dieser vollkommen furchtfreie Optimismus, der ihn hat lauter Dinge anpacken lassen, die er vorher noch nicht konnte, die er lernen musste, während er sie tat. Und die ihn auch mit dem Experimentalfilm aufhören ließ, trotz der Vorwürfe des Mülheimer Film-Gurus Werner Nekes: „Der Experimentalfilm“, antwortete Winkelmann darauf, „war ein Experiment, und jetzt weiß ich genug darüber.“ Er weiß aber auch immer mehr, dass er viele Dinge nicht weiß. Deshalb macht Adolf Winkelmann immer weiter.