Köln. Die 57. Ausgabe der ältesten Kunstmesse weltweit bietet Entdeckungen. Aber nicht jedes Bild von Gerhard Richter ist seinen Preis wert.
Mal sehen, ob das 3,50 Meter breite Gemälde aus lauter farbstarken Quadratrahmen wirklich für die umgerechnet 5,5 Millionen Euro (plus Mehrwertsteuer bei der Bielefelder Galerie Samuelis Baumgarte) auf dieser 57. Art Cologne wirklich weggeht. Gefällig genug ist es, es wird sich bestimmt in vielen gut betuchten Wohnzimmern gut machen. Es gibt allerdings auch noch zwei große „Abstrakte Bilder“ von Gerhard Richter bei Von Vertes für 3,8 oder 3,6 Millionen Euro. Aber da wird man schon drunterschreiben müssen, dass sie vom teuersten Maler der Welt angefertigt sind, man käme angesichts der eher kratzbürstigen Gestaltung nicht ohne weiteres drauf.
Aber man muss sich ja beim Kunstbummel zwischen 170 Galerien aus 24 Ländern nicht unbedingt auf die untere Halle 11.1 beschränken, wo eher die Klassische und die Nachkriegs-Moderne zu Hause ist, man kann eine Etage höher bei den jungen Galerien und in Förderkojen echte Entdeckungen machen. Das geht schon bei der Groß-Skulptur der in London arbeitenden Nicole Wermers los: eine wild zerklüftete „Liegende“ aus Gips oben auf einem Putzwagen mit Müllsack, Staubsauger und Laugen-Kanister - ein ironischer Kommentar zur Stellung der Frau in Kunst und Wirklichkeit (Nicole Wermers ist mit einer heiter-verrückten Fahrrad-Installation auch auf dem Emscherkunstweg am Duisburger Thyssenkrupp-Gelände vertreten).
Oder bei der Galerie Silke Lindner aus New York: Sie stellt die aus Kanada stammende Malerin Ang Ziqi Zhang aus, die derzeit das Stipendium „Neue Folkwang Residenz“ im Essener Eltingviertel innehat. Zhang malt ungeheuer aufwendig, und doch wirken die Bilder rätselhaft durchscheinend und schimmernd, wie Aquarelle fast. Das von der Zeche Zollverein inspirierte Bild „Ausgang“ ist hier für 4000 Euro zu haben.
Aber man kann sich auf der Art Cologne auch immer gut unter die Sehleute mischen und dann eine winzige Zeichnung entdecken, die August Macke von einem Vogel in Blumen anfertigte, 1914, kurz vor seinem frühen Tod im Ersten Weltkrieg also. Oder man weidet sich an zwei Chagall-Gouachen, die aus dem Nachlass des Künstlers stammen und bei Utermann an den Messewänden hängen. Lukas Minssen, der die Dortmunder Galerie in fünfter Generation führt, würde gern mindestens 650.000 Euro dafür haben. Nicht weniger schön wirkt hier ein auf Primärfarben beruhendes Meeres-Aquarell von Emil Nolde („So wie Nolde einfach sein muss“) und ein ganz frühes Gemälde von Nolde (1903) aus seinem Nachlass, das noch ganz impressionistisch mit Spuren deutscher Romantik ist.
Moment mal, NOLDE? Ein Antisemit, ein Parteigänger der Nazis? Kann man den noch zeigen, verkaufen, kaufen? „Er hat sich in seiner Kunst nicht den Vorstellungen der Nazis gebeugt“, sagt Lukas Minssen, „diese Kunst muss man losgelöst von dem betrachten, der sie geschaffen hat.“
KI spielt bei der Art Cologne nur am Rand eine Rolle, ebenso die Video-Kunst
Es gibt bei der Art Cologne auffallend wenig Video-Kunst zu sehen, KI spielt bestenfalls am Rand eine Rolle - und Aufmerksamkeit ziehen eher Künstler wie der Nigerianer Samuel Nnororom auf sich, der Werke aus Stoffballen anfertigt, die auch schon mal an die Armensiedlungen seiner Landsleute auf dem Wasser erinnern und doch etwas Heiterschönes ausstrahlen. Und für alle, die sich von ihren Bücherwänden trennen möchten, aber auf den Anblick nicht verzichten wollen, hat Ralph Fleck (bei diversen Galerien) Bücherwände gemalt, die dann auch leichter abzustauben sind.
Vor einem Präsidenten Trump ist den Galeristen übrigens nur halb bange: Zum einen werden seine Steuererleichterungen für Reiche den einen oder anderen Dollar auch im Kunsthandel landen lassen, zum anderen fürchten die Galerien einen neuen Handelskrieg - von dem sie allerdings wohl nicht in erster Linie betroffen wären.
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Am Steuer-Horizont sehen sie sogar einen Silberstreif: Wenn in den nächsten Wochen auch der Bundesrat (nach dem Bundestag) zustimmt, dürfen Galerien statt des vollen Umsatzsteuersatzes im neuen Jahr den ermäßigten von 7 Prozent für Kunstverkäufe veranschlagen. Seit 2014 gab es die Diskrepanz, dass man in Galerien mehr als doppelt so viel Umsatzsteuer wie bei Atelierkäufen zahlte. Karin Schmidt vom Bundesverband Deutscher Galerien konnte sich in Köln allerdings nicht den Hinweis verkneifen, dass man in Frankreich nur 5,5 Prozent Steuern zahlt, „das ist der niedrigste in Europa mögliche Satz dafür.“