Münster. Das LWL-Museum in Münster würdigt die Rolle von Elisabeth Macke, die ihren Mann August zu jenem Expressionisten machte, den wir heute kennen.
„Ich habe mehr durch Dich gelernt als Du durch mich“, schreibt August Macke seiner „Lisbeth“. Und: „Wir wollen gleichstehen in Bildung und in Liebe, zwei treue Freunde.“ Sätze wie diese sind 1904, mitten im wilhelminischen Kaiserreich mit seinen starren Rollenzuweisungen, revolutionär. Macke war 17 und auf dem Weg, ein großer Maler zu werden. Sein „liebes Mädchen“ Elisabeth, auch „süßer Möpp“ genannt, war 16 und auf dem Weg, sein Modell, seine Muse, seine Managerin, seine Frau zu werden-- „mein zweites Ich“.
Ein Jahr zuvor waren sie einander in Bonn auf dem Schulweg begegnet, und er hatte dann ihren Bruder porträtiert, um auch sie zeichnen zu dürfen – eine Gelegenheit, sie ungestört zu sprechen. Beide in kunstfreundlichen Bürger-Haushalten aufgewachsen, stellten sie rasch gemeinsame Vorlieben fest. Vier Jahr später sollten sie heiraten. Elisabeths wohlhabende Familie hatte das noch zu verhindern versucht und sie zu einer Frau Oberst ins Pensionat nach Berlin geschickt, weil ihr der in Meschede geborene, aber noch im Geburtsjahr mit seiner Familie ins Rheinland gezogene August nicht ebenbürtig erschien.
Ihr Erbe finanzierte das gemeinsame Leben
Für August Macke war Elisabeth ein doppelter und dreifacher Glücksfall: eine ausnehmende Schönheit („reine Zigeunerin“ war damals als Kompliment gedacht), umfassend gebildet, intellektuell ebenbürtig und materiell sorglos: Einen Großteil der elf gemeinsamen Jahre lebten sie von ihrem Erbe. Außerdem fanden sich in ihrem Familien- und Bekanntenkreis Sammler und Sponsoren, die August das Akademiestudium und Bildungsreisen finanzierten. Und: wieder und wieder fragte August seine Elisabeth beim Malen um Rat und Urteil, sie habe beinahe jedes Bild in jedem Zustand kommentieren müssen, erinnerte sie sich später. Zweimal habe sie sogar selbst mit Pinsel und Farbe seine Bilder an wichtigen Stellen bearbeitet – so dass August am nächsten Tag sagte: „Ah, jetzt weiß ich, wie es weitergeht.“
So ist denn Elisabeth, die ebenbürtige Seelenverwandte, neben den beliebten Bildern und Farben vom Paradies auf Erden, der eigentliche Star der neuen, mittlerweile siebten Macke-Ausstellung, die man dem Maler in Münster ausrichtet. Gleich der erste Raum der Ausstellung ist erfüllt von ihren Porträts, als „Frau des Künstlers mit Hut“ in magischer Beleuchtung und changierenden Farben in leuchtendem Blau und Türkis, mit ungeheuer ebenmäßigen Zügen, großen, tiefen Augen und einem Gesichtsausdruck, der einen Roman zu lesen gibt.
Skizziert, gezeichnet, gemalt und in Farben gefeiert
Man sieht Elisabeth aber auch in hochsinnlicher, unverstellter Nacktheit: liegend, mit Decken kaum drapiert, aufrecht im Schneidersitz, stehend, traumverloren auf dem Sofa. „Er war glücklich, in mir ein brauchbares Modell zu haben“, schrieb sie später, „er haßte es, sich mit stumpfsinnigen Mädchen abzugeben, die keine harmonische Bewegung aus sich machen konnten und mühselig zurecht gestellt werden mußten.“ Er hat sie skizziert, gezeichnet, gemalt, in Farben gefeiert, vor Modegeschäften flanierend, mit den beiden Söhne spazierend – mehr als 200 Mal von 1903 bis zu seinem entsetzlich frühen Tod im Menschenschlachthaus des Ersten Weltkriegs 1914.
Und obwohl August Macke, Kind seiner Zeit, dann doch die Familie, Kinder, den Haushalt als eigentlichen Wirkungskreis für Frauen ansah, beginnt mit seinem Lebensende Elisabeths Karriere als diejenige, die August Macke einen Platz in der Geschichte der Kunst sichert, die seinen Nachlass verwaltet, durch den Krieg und Bombardements bringt und nur vorsichtig hier und da ein Werk verkauft, um ihre Familie durch die schweren Zeiten zu bringen, alles sorgfältig belegt in einem „Kassabuch“. Und schreibt früh ihre Erinnerungen an die gemeinsame Zeit auf, um den Vater für die beiden Söhne Walter und Wolfgang lebendig zu halten.
Die geretteten Skizzenbücher
Und dass sie auch die Skizzenbücher gerettet hat, ist nicht ihr kleinstes Verdienst. Alle erhaltenen Exemplare zählen zu den Beständen des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster, seit 2014 auch in digitalisierter Form. So werden sie nun zum zweiten Star der Ausstellung, die sonst so gefällige Farbigkeit Mackes fehlt ihnen nicht im Geringsten. Und da sich die Originale immer nur an einer Stelle aufschlagen lassen, kann man sich die Seiten digital durchblättern lassen. Sie zeigen, welch eine sichere künstlerische Hand schon der junge Macke mitbrachte – und wie sie in der Ausbildung an der Düsseldorfer Akademie, an der Kunstgewerbeschule und bei Lovis Corinth in Berlin immer besser, sicherer, souveräner wurde, bis hin zu kubistischen Experimenten. Aber selbst in diesen bleibt seine Elisabeth erkennbar als schöne Frau von eigener Größe.