Essen. Vom Unsinn über den Scharfsinn zum Tiefsinn: Der fünfte Streich der Krimiserie, die von und mit Bjarne Mädel fürs TV verfilmt wird.
Echt jetzt? Erst Ende September macht KHK (Kriminalhauptkommissar) Sörensen Urlaub? Jedenfalls erscheint erst jetzt bei Rowohlt der Krimi, der dies behauptet. Nun muss man wissen, dass KHK Sörensen mit dem Fluch geschlagen ist, stets pünktlich am falschen Ort zu sein. So hat er sich ja, um seine lebensbedrohliche Angststörung zu kurieren oder mindestens zu lindern, aus Hamburg ins abgelegene Katenbüll versetzen lassen. Aber gerade dort hatten ihn schon zu Beginn der Sörensen-Saga (inzwischen fünf Bände) zwei monströse Verbrechensfälle eingeholt.
Katenbüll liegt (auch wenn keine Karte das bestätigen will) im Kreis Nordfriesland nahe Husum, seit Theodor Storm bekannt als „graue Stadt am Meer“, und nicht weit von Tönning entfernt, wo der Chronist von Sörensens Abenteuern, also der Autor Sven Stricker geboren ist.
Aber nun zu KHK Sörensens Urlaub. Der ist in einem Biobauernhof in Österreich gebucht, endet aber vorzeitig in Hamburg, wo die (immer noch ein wenig vermisste) Exfrau Nele und die abgrundtief geliebte Tochter Lotta zurückgeblieben sind. Ihre Mitbewohnerin, die junge Aileen, ist auf rätselhafte Weise in zwei Verbrechen verwickelt, die sich teils in Hamburg, teils – fast hätten wir‘s geahnt – in Katenbüll entfalten (wenn man so sagen darf). Nicht nur deshalb muss Sörensen auch noch mit seiner Kollegin, der KOKin (Kriminaloberkommissarin) Jennifer dort oben Kontakt halten, die ihn längst im Voralpenland vermutet. Das ist aber eine andere Geschichte, die lesen Sie am besten selbst.
Sven Stricker beherrscht alle Tonarten des Komischen und ist mit vielen Preisen dekoriert
Denn wir kommen jetzt zum Verfasser. Sven Stricker arbeitet seit knapp 25 Jahren höchst erfolgreich als Hörspielautor und Regisseur und hat einen ganzen Strauß von deutschen und österreichischen Preisen dafür entgegengenommen. Literarisch hat er sich mit inzwischen fünf Kriminalromanen um den KHK Sörensen profiliert, die leider von der Literaturkritik bisher nicht angemessen gewürdigt wurden.
Das liegt vielleicht an ihrer Erscheinungsweise als Taschenbücher, vor allem aber daran, dass die Kombination von Ernsthaftigkeit und Humor in der Kriminalliteratur besonders heikel, weil stets vom Absturz in die Tiefen des Klamauks bedroht ist. Stricker hingegen lässt seinen KHK Sörensen – an sich keineswegs schwindelfrei – virtuos auf dem Drahtseil zwischen Unsinn, Scharfsinn und Tiefsinn balancieren. Und beherrscht darüber hinaus alle Tonarten des Komischen, vom Slapstick bis zur milden Ironie. Und nur ganz, ganz selten streift er die Tiefebene des Klamauks, aber hin und wieder die Abgründe menschlichen Lebens.
Sörensen-Erfinder Sven Stricker ist in Tönning geboren und an der Ruhr aufgewachsen
„Mit Sörensen kann man ruhig nass werden, weil der Humor immer trocken bleibt“, sagt einer, der es wissen muss: der unvergleichliche Bjarne Mädel, den abgehärtete Fernsehfans als „Tatortreiniger“ in bleibender Erinnerung halten. Er ist nun auch Regisseur und Hauptdarsteller der beiden Fernsehfilme „Sörensen hat Angst“ und „Sörensen fängt Feuer“ (nach den ersten beiden Bänden), die inzwischen zu den populärsten Filmen in der ARD-Mediathek gehören. Der mediale Erfolg (auch noch der Hörspielversionen) rückt aber die literarischen Vorlagen in den Hintergrund, weil ein Großteil der Dialoge und der Selbstgespräche Sörensens – in denen der Humor vor allem wurzelt – den notwendigen Kürzungen zum Opfer fällt. Da hilft also nur eines: Sörensen lesen! Am besten alle fünf Bände. Hilft auch gegen leichte und mittelschwere Verstimmungen.
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Jetzt hätten wir fast was vergessen: Die Sörensen-Krimis triefen ja nicht nur vom üblichen Regen, sondern auch – bis in die Kleinigkeiten – von nordfriesischer Atmosphäre. Sven Stricker ist, wir sagten es schon, in Tönning geboren. Aber aufgewachsen ist er in Mülheim an der Ruhr. Und die Literaturwissenschaft hat er an der Universität in Essen studiert. Seinem Humor hat das offenbar nicht geschadet.
Sven Stricker: Sörensen macht Urlaub. Kriminalroman, Rowohlt Taschenbuch, 572 S., 14 Euro.