Essen. Jan Weilers Ruhrgebietsroman „Der Markisenmann“ war ein herzwarmes, heiterschönes Buch. Der Nachfolger „Munk“ fällt etwas anders aus.
Wir erinnern uns nur zu gut daran, wie Jan Weiler vor lauter Enttäuschung fast die Kinnlade herunterfiel, als er 2022 doch nicht den Literaturpreis Ruhr zugesprochen bekam. Dabei war sein Ruhrgebietsroman „Der Markisenmann“ doch wirklich mehr noch als eine zauberhafte Liebeserklärung an das Ruhrgebiet, seine ruppigen Ecken, seine endlosen Straßenfolgen und labyrinthischen Qualitäten. Vor allem war es ein Roman voller Figuren zum Gernhaben oder allmählichen Liebgewinnen: Die garstig-verwöhnte Göre Kim, ihr Loser-Vater Ronald mit den schier unverwüstlichen Stehauf-Qualitäten und Alik, der russisch-tunesische Junge am Meidericher „Beach-Club“ am struppigen Kanalufer.
Und jetzt das.
Also der: „Munk“. Peter Munk, Anfang 50 und gleich zu Beginn auf einer Zürcher Kaufhaustreppe einen Herzinfarkt erleidend. Ein höchst erfolgreicher Architekt, der am liebsten niemandem lästig fällt, einer aus den besseren, wohlhabenden Kreisen. Schon der Anfang wirkt ein bisschen konstruiert bis überstrapaziert, denn am Herzinfarkt soll die jüngste Verflossene schuld sein, er habe sich das Aus der Liebe zur sehr zu Herzen genommen, sagt der Kardiologe.
Jan Weiler lässt in „Munk“ die Liebschaften eines Lebens paradieren
In der Reha soll Munk nun die 13 bis 14 Liebschaften seines bis dato immer noch junggeselligen Lebens rekapitulieren. Und so wird es dann auch: Eine öde Bilanz eines herzensguten und weitgehend spannungsarmen Menschen in der Midlife-Crisis, die ja in unseren Zeiten auch immer länger dauert und früher anfängt. Klar, Jan Weiler („Maria, ihm schmeckt‘s nicht“, „Das Pubertier“) hat sich Mühe gegeben, die Frauen im Leben des Peter Munk möglichst abwechlsungs- und kontrastreich auszudenken, aber so sind sie dann auch: ausgedacht. Frauen, Figuren vom Reißbrett. Gut ausgeleuchtet wird der Charakter von Peter Munk –besonders dort, wo er, der doch alles anders machen wollte als sein Vater, unversehens in dessen Fußstapfen tritt, auch bei der pharisäerhaften Heuchelei. Aber das bleibt zu wenig Abgrund in einem Meer von Untiefen.
Nicht nur Marcel Reich-Ranicki würde fragen, warum einen dieser Mensch interessieren sollte. Diese Kalamitäten und harmlosen Widrigkeiten eines gut ausgepolsterten Lebens. Und ein anderer Sachverständiger aus der Fernseh-Unterhaltung würde einwerfen: „Drama, Baby, Drama!“ Zwischendurch gelingen Jan Weiler immer wieder kleine Scherze, mittelgroße Satiren und zärtliche Ironien. Aber auf die Dauer ist das zu wenig, um mit Freude umzublättern.
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Um noch mal einen Roman auf dem Niveau vom „Markisenmann“ zu lesen, müssen wir wohl auf das nächste Buch von Weiler warten.