Dortmund. Die Ausstellung auf Zeche Zollern in Dortmund hat schon vorab für Rassismus-Debatten gesorgt. „Das ist kolonial“ erzählt aus zwei Jahrhunderten.

Diese Ausstellung in der Dortmunder Industriedenkmal-Zeche Zollern hat ihren vielleicht größten Wirbel schon im Vorfeld entfacht: Anfang September 2023 empörten sich vor allem rechte Kreise darüber, dass in der vorbereitenden „Werkstatt“ zur Ausstellung „Das ist kolonial“ an vier Stunden in der Woche ein Teil der Zeche Zollern für nicht weiße Menschen reserviert war: Sie sollten sich dort unbefangen miteinander darüber austauschen können, welche Diskriminierungs- und Rassismus-Erfahrungen sie gemacht haben. Im Netz empörten sich Querdenker und AfD-Kreise über „Rassismus gegen Weiße“, am Eingangstor zum Museum tauchten rechte Parolen auf. Daraufhin ermittelte der Staatsschutz.

„Pippi Langstrumpf im Taka-Tuka-Land“ sowie „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“

Nun soll die mit der umstrittenen Werkstatt erarbeitete Ausstellung ab dem kommenden Freitag „Westfalens unsichtbares Erbe“ sichtbar machen, und vielleicht werden sich manche erschrecken, dass auch „Pippi Langstrumpf im Taka-Tuka-Land“ oder „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ unter den Ausstellungsobjekten sind. Letztlich aber demonstrieren auch sie das Fortleben des Kolonialismus in rassistischen Klischees und Vorurteilen.

Ausstellung Koloniale Kunst.
Am Eingang der Ausstellung in der ehemaligen Werkstatt der Zeche Zollern gibt es Interviews mit Betroffenen zum Thema Kolonialismus zu hören. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Zunächst einmal aber geht es um die Geschichte: Wer weiß schon, dass es schon im 18. Jahrhundert Schwarze auch auf dem flachen Land in Westfalen gab? Ignatius Fortuna war einer von ihnen, Johann Junkerdink ein anderer. Gordon (ca. 1736-1819) kam als „Geschenk“ an den Hof von Berleburg, wurde erst Diener des Grafen Ferdinand und dann sein „Amtsverweser“, also Verwaltungs-Chef, heiratete eine Witwe und starb in Meinerzhagen.

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Aber zugleich gab es im Sauerland auch Sklavenhändler: Friedrich von Romberg (1729-1819), Transportunternehmer, Bankier, Fabrikbesitzer und Reeder aus Hemer, wurde zum Superreichen seiner Zeit damit. Und Völkerschauen im Zoo von Münster oder im Fredenbaumpark in Dortmund machten Schwarze zum Objekt der Belustigung – eigens zu diesem Zweck einstudierte Szenen sollten zeigen, wie primitiv Afrikaner, wie überlegen Weiße sind.

Für Kaffee, Tee, Tabak und Schokolade werben hier viele alte Reklameschilder, die man auf den ersten Blick possierlich finden könnte, die aber für Schwarze alles andere als lustig sind. Und wer weiß schon, dass sogar Besen einen kolonialen Hintergrund haben: Bis heute sind vor allem auf unseren Straßen Feger mit den besonders widerstandsfähigen und zugleich elastischen Piassava-Borsten aus Brasilien und Venezuela im Einsatz.

Das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat verdiente mit Kohleexporten in Kolonien

Aber Westfalen profitierte auch durch Exporte vom Kolonialismus: In Kierspe wurden „Afrika-Spaten“ geschmiedet, nach Afrika und Übersee wurden Leinen, Waffen und Glas verkauft. Der „Westfälische Kohleausfuhrverein“ lieferte ab 1884 Kohle für die kaiserliche Marine in Afrika und der Südsee, das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat verdiente ab 1905 mit Lieferungen nach Port Said, Algier, Colombo und Malta. Auch die Kirchen waren am Kolonialismus beteiligt, bis in die 50er- und 60er-Jahre wurde an Kircheneingängen und Pfarrhäusern mit Figuren von Schwarzen Geld für die Mission gesammelt, die dankbar nickten, sobald man eine Münze hineinwarf.

Die Ausstellung erinnert an die kulturelle Ausplünderung der Kolonien (etwa im Falle der Benin-Bronzen, von denen ja auch das Essener Museum Folkwang eine an Nigeria rückübertragen hat), an die Versuche, die Überlegenheit der Weißen mit „wissenschaftlicher“ Vermessung von Köpfen und anderen Körperteilen zu beweisen.

Zur Ausstellung

„Das ist kolonial. Westfalens (un)sichtbares Erbe“. LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Grubenweg 5, 44388 Dortmund. 14. Juni bis 26. Oktober 2024. Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr. Eintritt: 5 €, erm. 2,50 €. Begleitprogramm: zeche-zollern.lwl.org/dasistkolonial. Führungen: Samstags 12 Uhr (Dauer: 90 Minuten). Für Kinder gibt es ein Rätselheft zur Ausstellung. Kuratorinnenführungen: 27. Juli, 31. August, 28. September, 26. Oktober, 30. November, jeweils 14 Uhr.

Die sehr fakten- und facettenreiche Schau erinnert auch an den Widerstand von Schwarzen gegen Diskriminierung und Rassismus, etwa mit der am Ende im Ruhrgebiet beheimateten Protestsängerin Fasia Jansen. Den gab es sogar schon im Kaiserreich: 1907 wurde der Reichstag aufgelöst, weil die SPD, das Zentrum und die polnische Fraktion einen Nachtragshaushalt für den Krieg gegen die Nama in Südwest-Afrika abgelehnt hatten. Bei den anschließenden „Hottentotten-Wahlen“ siegten aber die Kriegs-Befürworter.

Auch das Parkhaus im Stadtpark von Bochum hat einen kolonialistischen Bezug

Auf Bildschirmen in der Mitte der Ausstellung lassen sich schließlich 90 Orte in Westfalen (und Duisburg, Essen, Mülheim) ansteuern, die einen kolonialistischen Bezug haben. Darunter sind viele Straßen mit Namen von plündernden „Eroberern“, aber auch scheinbar unverdächtige Bauten wie das Parkhaus in Bochum. Dort fand noch 1926 eine Tagung statt, die Kolonien für Deutschland forderte. Dabei war es damit am Ende des Ersten Weltkriegs endgültig vorbei. Die Folgen aber reichen bis in die Gegenwart.