Essen. Für das Folkwang brachte die Nachkriegszeit Neu- und Wiederaufbau von Haus und Sammlung – gefolgt von der Vierteljahrhundert-Ära des Paul Vogt.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs war das Essener Folkwang-Museum bei einem Bombenangriff im März 1945 äußerlich vollkommen zerstört worden – und innerlich empfindlich ausgeweidet durch die Beschlagnahmung der ideologischen Raubkunst-Aktion „Entartete Kunst“, die aus dem Folkwang 1400 Werke abzog. Die restlichen Sammlungsbestände waren schon 1942 in sichere Depots ausgelagert worden.
Heinz Köhn, der Assistent des 1938 ausgeschiedenen Nazi-Direktors Klaus Graf Baudissin, hatte im Wehrmachts-besetzten Paris noch einige Gemälde aus dem 19. Jahrhundert von Courbet und Corot erstehen können; nach dem Krieg aber galt sein ganzes Bemühen der Wiederherstellung der Sammlung, deren kostbarste Verluste allerdings unerschwinglich blieben oder in Bestände von Museen übergegangen waren, die zur Rückgabe nicht bereit waren, weil ihre Ankäufe vom geltenden Recht abgesichert waren.
Neubau 1960 eröffnet – auf Heinz Köhn folgte Paul Vogt
Die Werke der französischen Maler gab das Folkwang angesichts des Erwerbs unter Kriegsumständen wieder zurück. Als Zwischenlösung wurde die Folkwang-Sammlung ins Schloss Hugenpoet im südlichen Kettwig verlagert, wo man sie teilweise auch ausstellte. Am alten Standort an der Bismarckstraße ließen sich erst einmal nur zwei Räume wiederherstellen; der edel-schlichte Neubau, der 1956 nach Plänen von Erich Hösterey, Werner Kreutzberger und Horst Loy begonnen wurde, wurde beim hochgelobten Ausbau von David Chipperfield zum Kulturhauptstadtjahr 2010 nicht einfach integriert, er war dessen architektonischer Ausgangspunkt.
Zwei Jahre nach der Eröffnung des Neubaus starb Heinz Köhn kaum 60-jährig. Mit seinem bisherigen Kustos Paul Vogt, der 1963 sein Nachfolger wurde, begann eine echte Epoche, die ein Vierteljahrhundert währen sollte. Vogts Kenntnis, Tatendrang und Netzwerkbegabung vereinten sich zu einer Energie, für die der Begriff Zielstrebigkeit noch eine Untertreibung war. Der in Essen geborene Vogt gehörte zur Flakhelfer-Generation, hatte nach der Kriegsgefangenschaft sein Kunstgeschichtsstudium nach acht Semestern mit einer Promotion über Niederländische Grafik des 16. Jahrhunderts abgeschlossen und nebenbei ein Verzeichnis der druckgrafischen Werke von Christian Rohlfs erstellt – der expressionistische Maler hatte sich ja auf Einladung von Karl Ernst Osthaus, der eine Künstlerkolonie gründen wollte, in Hagen angesiedelt. Und war der Schwager von Paul Vogts Mutter.
Franz Marc, Ernst Ludwig Kirchner, Gerhard Richter, Frank Stella
Vogt setzte die Rückerwerbungen Köhns fort, unter anderem mit dem ikonischen „Steinbruch Bibémus“ von Cézanne, der über mehrere Stationen (u.a. New York) an den Kunsthändler Walter Feilchenfeldt sen. gelangt war und mit Unterstützung des WDR gesichert wurde. Aber Vogt kaufte pointiert und mitunter weitsichtig auch Gegenwartskunst an, zwei Gemälde von Gerhard Richter etwa, Kunst von Frank Stella, Barnett Newman oder den Zero-Mitgliedern. Lieber aber noch Franz Marc, Ernst Ludwig Kirchner und andere Expressionisten, denen seine tiefere Zuneigung galt.
Ausbau war der Grundgedanke der Epoche Vogt, er hatte schon am Neubau von 1960 federführend mitgewirkt. 1983 bekam das Museum eine – weder architektonisch qualitätvolle noch haltbare – Erweiterung und das heimatkundliche Ruhrlandmuseum wurde angegliedert. Unter Vogts Ägide wurde auch die Lehrsammlung des Fotografie-Gurus Otto Steinert durch dessen ehemalige Assistentin Ute Eskildsen zu einer Foto-Kollektion von internationalem Rang betrieben.
Im Folkwang wurde Vogt 1988 abgelöst durch den Kunsthistoriker Georg W. Költzsch. Er sollte für eine ganze Reihe von publikumswirksamen Großausstellungen sorgen.