Essen. Paul Vogt hat die Geschichte des Museum Folkwang ein Vierteljahrhundert geprägt. Nun ist der Kunsthistoriker im Alter von 91 Jahren gestorben.
„Das Verlorene zurückholen, in die Gegenwart vorstoßen“: Für Paul Vogt, den langjährigen Direktor des Essener Museum Folkwang, war diese Devise eine lebenslange Herausforderung. Vogt, am 29. Mai 1926 in Holsterhausen geboren, und wie erst jetzt bekannt wurde, am 1. Oktober in Münster verstorben, hat beides auf unvergleichliche Weise erreicht. Vielen gilt er bis heute als „Retter“ der kostbaren Osthaus-Sammlung, der dem Museum Folkwang mit Geschick und finanzstarker Sponsorenhilfe Meisterwerke zurückführen konnte, die die Nationalsozialisten zu hunderten als „entartete Kunst“ beschlagnahmt und in alle Welt verstreut hatten.
Paul Vogt bleibt aber auch als innovativer Geist und Erneuerer in Erinnerung, der mit dem neu eingerichteten Videostudio 1974 bundesweit Furore macht und den Grundstein für die international renommierte Fotografische Sammlung legte. Die eigentliche Aufgabe des Folkwang sei schließlich, „ein Museum der Gegenwart zu sein“, hat Vogt mit Bezug auf den großen Folkwang-Sammler Karl Ernst Osthaus immer klärt. So erweiterte er die Sammlung französischer Kunst nicht nur um kostbare Gemälde von Delaunay bis Leger und legte mit Werken von Newman über Rothko bis Pollock früh einen Amerika-Schwerpunkt. Er widmete sich auch der osteuropäischen Avantgarde und den „Jungen Wilden“ zu Beginn der 1980er Jahre.
Die gewaltigen Wunden, die die Plünderung der Nazis dem einst „schönsten Museum der Welt“, zugefügt hatte, blieben allerdings das große Thema des Neffen von Christian Rohlfs. „Kein wichtiges Bild nach Neunzehnhundert mehr, selbst der Cézanne war weg“ hat Vogt einmal die bittere Situation zu seinem Amtsantritt skizziert. Immerhin: Meisterwerke wie Cézannes „Steinbruch Bibémus“ oder Kirchners „Tanzpaar“ hat der Kunsthistoriker zurückholen können, der privat lieber Uhren statt Gemälde zusammengetragen hat, „weil man nicht auf dem Gebiet sammelt, auf dem man tätig ist“.
Die Neugier „auf das, was kommt“, ist ihm aber auch nach seinem Ausscheiden als Folkwang-Direktor 1988 nicht verloren gegangen. Bis 2010 hat er als Vorstandsmitglied der Kulturstiftung Ruhr in der Villa Hügel spektakuläre Großschauen wie die flämischen Stillleben organisiert.
„Wir wollten Ausstellungen machen, die es so noch nicht gab“
„Wir wollten Ausstellungen machen, die es so noch nicht gab“, lautete sein Anliegen. Wer ihn auf seinem „Alterssitz“ in der Villa Hügel erlebte, bekam einen Eindruck davon, mit welcher Souveränität und Leidenschaft diese Projekte damals in engster Abstimmung mit dem Krupp-Patriarchen Berthold Beitz entstanden. Dass die grandiose Spende der Krupp-Stiftung am Ende auch den Museums-Neubau von David Chipperfield möglich machte, wird ihn, der dem Folkwang oft „mehr Platz“ gewünscht hatte, besonders gefreut haben. Ihn habe es oft geschmerzt, „zu wissen, was im Depot an herrlichen Bildern steht“, ließ er einmal wissen.