Essen/Bochum. .
Der Philosoph Wilhelm Schmid schreibt im neuen Sachbuch über die modernen Liebeskrisen – und empfiehlt ein gerüttelt Maß an Toleranz als Lösung. Am Mittwoch liest er im Bochumer Bahnhof Langendreer.
Es ist, was es ist. Wenn es aber nicht mehr so ist, wie es sein sollte? Bevor Sie der heute gängigen Problemlösung aller Beziehungsturbulenzen folgen und hinschmeißen: Lesen Sie Wilhelm Schmid.
Der Philosoph hat sich einem Thema gewidmet, das größtmögliches Potenzial für Schmerz und Enttäuschung birgt: Liebe. „Liebe wird oft nicht als das, was ist, erfahren, sondern als das, was fehlt”, schreibt er in seinem neuen Werk – das auf den ersten Blick eher salbungsvoll denn konkret daherkommt, aber die Mühe der Lektüre wert ist.
Denn für Schmid ist Liebe zunächst ein Begriff, ein Wort, eine Sache der Definition. Also sucht er zwischen romantischer Liebe und pragmatischer Beziehung nach Auswegen aus Liebeskrisen. Seine Lösung ist eine „atmende” Liebe, die Gegensätze umarmt: Nähe, Distanz. Ekstase, Alltag. Gefühl, Gewohnheit.
Entspanntes Gegengewicht zum „Ende der Liebe“
Im Tonfall des Suchenden beleuchtet Wilhelm Schmid die Gründe, die modernes Lieben so schwierig machen. Dabei beginnt er bei den einzelnen Teilnehmern der Liebesbeziehung: Hier geht es etwa um „die Kunst, ein Mann zu sein” in modernen Zeiten; ein schwieriges Unterfangen, für das Aufmunterung vonnöten ist: „Wozu leben als Mann, wenn nicht, um veritable Aufgaben zu meistern?” Die lustigen Einlassungen haben jenen ernsten Hintergrund, der den meisten bekannt, aber kurzzeitig entfallen ist: Nur wer mit sich selbst kann, kann auch mit anderen.
Wilhelm Schmid erfindet nichts wirklich neu, auch die Liebe nicht. Aber er räumt auf. Betrachtet das, was er im stillen Kämmerlein findet, mit Muße und vorurteilsfrei. Damit bietet er ein entspanntes Gegengewicht zu all jenen, die „Das Ende der Liebe” ausrufen. Sein Buch ist auf den zweiten Blick durchaus ein Nachschlagewerk zu Fragen der Verführung, der Alltagsliebe, der Machtspiele, der Erotik, der Treue – und stellt stets ein Denken in den Vordergrund, das tolerant im Zulassen von Möglichkeiten ist. Wenn es nicht ist, wie es sein sollte? Ist es eben anders.
- Wilhelm Schmid: Die Liebe neu erfinden.Suhrkamp Verlag, 399 Seiten, 19,90 Euro