Bayreuth.

Der Eröffnungszyklus der Wagner-Festspiele ging zu Ende und Katharina Wagners „Meistersinger“ liegen immer noch auf dem letzten Platz der Publikumskunst. Ein Rückblick auf starke Momente und schwache Leistungen in Bayreuth.

Es ist ja nicht so, dass der Wagnerianer gänzlich humorfrei wäre. Der Witz der Bayreuther Saison 2010 hieß: „Entweder du wartest zehn Jahre auf Karten oder du gehst in die Meistersinger!“.

Tatsächlich scheint besagte Inszenierung von Wolfgang Wagners Tochter Katharina auf dem letzten Platz der Publikumsgunst zu liegen. Selbst in der begehrten Eröffnungswoche stand ein einziges Schülerlein mit dem üblichen Pappschild „Suche Karte“ vor dem Festspielhaus.

Das ist wohl auch ein Kommentar. Der zweite war der große Buhsturm, als die Festspielleiterin sich verbeugte. Es ist fraglich, ob man ihn allein Verknöcherten zuordnen darf. Auch Aufgeschlossene sind nicht glücklich mit einer Inszenierung, die - wie Stolzing in Katharina Wagners Regie - oft Kunst draufpinselt, wo keine drin ist. Nachgerade spießig und gar nicht frisch wirken Provokationsposen. Diese „Meistersinger“ (unter Sebastian Weigle unschön laut und zu kompakt dirigiert) bleiben ein Abend ohne raffinierte Andeutungen, ohne Ebenen. Es sind aufdringliche Variationen zum Thema Künstlertum und Gesellschaft - ohne beeindruckenden Nachhall. 2013 wird sich Katharina Wagner dem „Tristan“ zuwenden.

Starke neue Tenöre

Gefeiert wurde in Bayreuth im Schlussapplaus der ersten Festspielwoche dennoch nicht wenig. Auch im letzten Jahr von Tankred Dorsts oft unentschiedener „Ring“-Inszenierung, die dem „Lohengrin“ (wir berichteten) folgte, macht der euphorisch gefeierte Christian Thielemann aus seiner musikalischen Deutung mit dem Festspielorchester ein spannungsgeladenes Ereignis. Wie Thielemann kompositorische Schichten hörbar macht, wie er feinste Abstufungen in der Dynamik sinnlich und sinnhaft steuert und Größe nie mit Pomp verwechselt, das ist maßstäblich. Freilich können die, die nach Bayreuth vor allem der Musik wegen pilgern, mit gleich zwei Hügel-Debütanten die Renaissance großen Wagner-Gesangs feiern. Johan Bothas „Siegmund“ bescherte trotz dramatischer Attacke als bestechender Lyriker den Festspielen die Sternstunde eines ersten „Walküre“-Akts. Den besten „Siegfried“ seit vielen Jahren sang der Kanadier Lance Ryan: eine Mordsstimme, groß, schön, markant, von nie versiegender Kraft. Dazu ist er ein starker Spieler, der Dorsts spröder Regie komödiantische Farben abgewinnt - wenn er nun noch gutes Deutsch singt, gehören ihm für viele Jahre die Wagner-Bühnen der Welt.

Szenisch besitzt Stefan Herheims „Parsifal“ zweifellos die größte Substanz. Seine (über-)üppig ausgestattete Erlösungsfantasie über Wagner-Bayreuth und Deutschland besitzt auch im dritten Jahr viele magische Momente. Natürlich - Bayreuth ist eben Bayreuth - erntet auch Herheim ein paar Buhs, aber die Konzentration, mit der die 1700 im Festspielhaus zuvor über Stunden dieser raffiniert erzählte Passion gefolgt sind, ist Zeugnis ihrer Faszination.