Bayreuth. .
Lars von der Gönna hat seine Ohren in Bayreuth überall und berichtet heute vom aktuellen Klatsch aus der Festspiel-Kantine. Was passiert, wenn Lohengrin-Regisseur Hans Neuenfels einen seiner berühmten Ausbrüche hat.
Scheußlicher Landregen über Bayreuth. Es hört gar nicht auf. Das schafft Zeit, sich um meine Kritiker zu kümmern. Sonst spiele ich um die Zeit Minigolf. Ein Leser dieses Tagebuchs hat sich offenbar darüber beschwert, dass ich eine Andeutung über Hans Neuenfels (Anm. d. Red.: Regisseur des neuen Bayreuther „Lohengrin“) gemacht habe, den Leser aber damit im Regen (siehe oben) hätte stehen lassen. In dem besagten Text war von Hans Neuenfels’ berühmten Ausbrüchen die Rede. Ich hätte das aber nicht näher erklärt.
Klatsch aus der Festspiel-Kantine
Lieber Leser, selbst in der Kulturberichterstattung, die ja im Grunde ein sinnloses Ressort innerhalb vieler sinnvoller journalistischer Disziplinen ist, gibt es Ähnlichkeiten zur Politikberichterstattung: Verrät man zuviel von seinen Informanten, schweigen sie für immer. Dies aber doch: Einen berühmten Ausbruch des Hans Neuenfels erzählte man kürzlich in der Festspiel-Kantine. Neuenfels hatte Kleists „Käthchen“ am Wiener Burgtheater inszeniert. Dazu muss nun eben eingeschoben werden, dass es in vielen Theatern zur besseren Verständigung Lautsprecher gibt, die bis in die Garderoben, Werkstätten, Masken etc. reichen. Wenn es nichts zu sagen oder zu proben gibt, sollten sie ausgeschaltet sein, ebenso die entsprechenden Mikrofone.
Nach der Generalprobe vom „Käthchen“ jedenfalls soll Hans Neuenfels im vermeintlich kleinen Kreis an seinem Regiepult getobt haben, und zwar wie verrückt, sinngemäß etwa so: „Das ist hier ein totales Scheiß-Theater. Hier sind wirklich nur unfähige Verrückte, man sollte es abreißen, dieses Scheiß...“ Und so weiter. Bis jemand gemerkt hat, dass diese eigenwillige Liebeserklärung an eine der berühmtesten Bühnen der Welt im ganzen Haus live und in Farbe übertragen worden war. Da wurde die Anlage sehr schnell abgeschaltet. Wenn das das Ende der Anekdote wäre - so what? Aber fünf Minuten später - so klatscht man in der Festspiel-Kantine - sei die Anlage wieder auf laut geschaltet worden und aus ihr sei mit der unverkennbaren Stimme eines Mannes, der Wein und Zigaretten schätzt, sinngemäß erklungen: „Äh, ja, hier spricht Hans Neuenfels. Ich bedauere, dass meine Äußerungen, wie ich eben erfahre, im ganzen Haus zu hören gewesen sind. Im Übrigen bleibe ich bei meiner Meinung!“ Theater hat viel mit Mut zu tun, sagen die, die in der Kantine solche Sachen erzählen. Man müsse, sagt ein Bratschist, ihn sich aber auch leisten können.
Leitmotiv des Tages: „Kaum halt’ ich mich: schäumende Wut! (Richard Wagner: Rheingold, vierte Szene)