Essen. Der Bernstein-Film „Maestro“ ist da: Bradley Coopers Oscar-Chance scheint mau, aber eine Kollegin darf hoffen. Die Kino-Neustarts im Überblick.
Eintrittskarte kaufen, Platz nehmen – und eine Auszeit vom vorweihnachtlichen Trubel genießen. In dieser Woche locken wieder sehenswerte Filme ins Kino. Drei davon haben wir uns bereits angesehen. “Maestro“ blickt auf die furiose Karriere von Leonard Bernstein, „How to Have Sex“ begleitet drei Mädels im Partyrausch und bei „BlackBerry“ verrät schon der Titel, dass es um ein legendäres Telefon geht.
„Maestro“
New York, am 14. November 1943. Leonard Bernstein, stellvertretender Dirigent des New York Philharmonic Orchestra, muss kurzfristig den erkrankten Bruno Walter in der Carnegie Hall vertreten. Das Konzert wird landesweit im Rundfunk übertragen. Bernstein zeigt sein überragendes Talent am Pult. Am nächsten Morgen ist er ein Star. Furios wie Bernsteins Karriere ist auch der Auftakt dieses Films, in dem Bradley Cooper als Regisseur, Co-Autor und Hauptdarsteller seinen ungestillten Hunger nach dem ersten Oscar mit Nachdruck unterstreicht. Cooper eröffnet in Schwarz-Weiß im Academy-Format (4:3) und der fotografischen Ästhetik eines Melodrams der 40er-Jahre mit viel Beleuchtungsaufwand und Schärfentiefe. Sein Film hat zahlreiche szenische Verdichtungen. In raffiniertem Filmschnitt wird von einem Jahrzehnt ins nächste gesprungen. In den 60er-Jahren wird dann auch in Farbe das Leben des temperamentvollen Dirigenten und Komponisten der „West Side Story“ im anekdotischen Schlagzeilenformat durchgehechelt.
Bradley ließ sich in der Maske zum Bernstein-Zwilling umformen, monatelang übte er Bernsteins Gestik beim Dirigieren, aber den Film beherrscht seine Partnerin Carey Mulligan als Bernsteins Frau Felicia Montealegre, die seine Homosexualität ebenso schweigend erduldet wie seine Phobien und den unersättlichen Ehrgeiz. Allzu Entlarvendes muss nicht befürchtet werden. Bernsteins Nachkommen überwachten die Produktion beratend. „Maestro“ ist eine filmische Biografie im konventionellen Hollywood-Rahmen – technisch profund, inhaltlich überraschungsfrei und für Carey Mulligan könnte es den Oscar geben. Bradley Cooper wird weiter warten müssen.
„How To Have Sex“
Manchmal muss man in Urlaub fahren, um Fakten zu schaffen. Tara, Skye und Em sind beste Freundinnen, sie haben gerade die schriftlichen Prüfungen für die mittlere Reife bestritten und fliegen in ein hart verdientes verlängertes Wochenende nach Malia. Gut gelaunt, supersexy und fest entschlossen erreichen sie ihr Ziel. Sofort machen sie sich an die Arbeit für die erste Partynacht. Denn eines ist für alle klar – hier und jetzt wollen sie endlich die Jungfernschaft verlieren. Die zwei Jungs und das Mädchen aus dem Apartment nebenan scheinen dafür eine prima Gesellschaft. Wenn nur der viele Alkohol nicht wäre.
Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Erwachsensein liefert den ernsten Kern für ein wildes Treiben unter kretischer Sonne, wo schlüpfrige Anmache und kaltes Meerwasser einen Rahmen der trügerischen Verlockungen bilden. Jeder will sich amüsieren und lässt dafür alle Hemmungen fallen. In den Nullerjahren lachten die Briten über die spätpubertären Jungs der Serie „The Inbetweeners“ und die zwei unsäglichen Kinofilme danach. Molly Manning Walkers Langfilmdebüt schafft nun das Kunststück, dass man nicht nur über die Heldinnen lacht, sondern auch ehrlich mitfühlt, weil eben nicht alles cool und locker ist, und weil es Typen gibt, die sich nicht an Regeln halten. Jetzt im Kino ist das klasse gefilmt, gespielt und bis in den kleinsten Lidstrich echt empfunden. Das zählt.
„BlackBerry“
Dies ist die Geschichte des ersten Smartphones, das als Schreibmaschine, Telefon, Email-Center und Datenspeicher den US-Markt eroberte und so lange dominierte, bis Apple mit dem iPhone die Konkurrenz überrollte. Dies ist auch die Geschichte von einem mühsamen Aufstieg und dem schnellen, steilen Fall in die Bedeutungslosigkeit. Das kann im Kino gut funktionieren, wie Anfang des Jahres „Air – Der große Wurf“ über den Aufstieg eines Sportschuhs zur Weltmarke unterhaltsam aufzeigte. „BlackBerry“ ist vor allem die Geschichte von Computer-Nerds, die vom Geschäft im Speziellen und vom Leben im Allgemeinen nichts zu begreifen scheinen, weil sie vor allem aufs eigene Spaßbedürfnis fixiert sind. Unter Matt Johnsons nervöser Regie setzt Glenn Howerton als machtgeiler Manager noch die besten Akzente. Die eigentliche Frage wird nicht ausgeräumt: Wieso man für sowas ins Kino gehen müsste?