An Rhein und Ruhr. Kinobetreiber haben immer noch Sorgen. Die Kosten sind hoch, das Publikum zögert. Doch jetzt gibt’s Aufwind durch „Barbie“ und „Oppenheimer“.

Im Endstation. Kino in Bochum-Langendreer hat Nina Selig schon bessere Zeiten gesehen. Mit einem coronabedingten Besucherschwund von 33 Prozent ist sie ins Jahr gestartet, und auch jetzt hält sich das Publikum noch spürbar zurück. „Wir Filmkunst-Kinos bekommen die Veränderungen auf dem Filmmarkt am meisten mit“, sagt Selig. Und da ist nicht nur die Konkurrenz durch Streaming-Anbieter. Tendenziell gingen immer mehr Leute in immer größere Filme – und immer weniger in die kleinen Formate. Seit März spielt Selig im eingeschränkten Vier-Tage-Betrieb, um Personalkosten zu sparen. Aber sie hat auch eine positive Folge der Pandemie-Zeit ausgemacht. Nie waren Workshops derart voll. „Die Leute kommen immer dann, wenn es um Begegnung geht.“

Der Streik in Hollywood

Rund ein Jahr ist vergangen, seit die Kinos in NRW nach Corona wieder öffnen durften. „Die Zahlen von 2019 haben wir noch nicht“, räumt Michael Meyer ein. Er ist seit über 50 Jahren im Geschäft und betreibt Kinos in Gelsenkirchen, Dorsten und Bochum, Filmkunstkinos und Multiplexe. Deutschlandweit lag der Publikumsschwund bisher bei rund 20 Prozent, schätzt er. Und das treffe auch für NRW zu.

Das wird sich jetzt ändern, zumindest für die, die die aktuellen Zuschauer-Magneten im Programm haben: Derzeit sorgen „Oppenheimer“ und „Barbie“ für volle Säle und könnten die Bilanzen spürbar aufbessern. Meyer verweist auch auf Blockbuster wie „Avatar: The Way of Water“. „Aber der Arthouse-Bereich hat es schwer. Da warten wir noch auf die Besucher.“ Wobei das schwindende Interesse ja auch andere Bereiche der Kultur betreffe. „Und auch die Gastronomie klagt ohne Ende.“

Die Menschen haben weniger im Portemonnaie

„Die Menschen haben weniger im Portemonnaie und sparen am ehesten im Freizeitbereich“, vermutet Oliver Flothkötter, Theaterleiter der Lichtburg und der Essener Filmkunsttheater, zu denen auch Astra, Filmstudio Glückauf, Eulenspiegel und Galerie Cinema zählen, außerdem das Mülheimer Rio Filmtheater. Flothkötter bezeichnet sich aktuell als „gebremst optimistisch“, auch wenn die hohen Energie- und Betriebskosten nach wie vor problematisch seien. Aber man spüre einen Aufwärtstrend. Zumal sich das Publikum, das jetzt zu „Oppenheimer“ und „Barbie“ komme, auch für das übrige Programm der Häuser interessiere.

Sorgen bereitet ihm der Hollywood-Streik, dessen Konsequenzen über kurz oder lang auch auf dem deutschen Markt spürbar sein werden, weil sich Produktionen verschieben. Schlimmstenfalls gebe es ab Mitte 2024 gar keine großen Filme mehr. „Andererseits“, überlegt Flothkötter, „könnte das europäische Kino davon profitieren.“

Probleme nach der Zeit der Corona-Förderung

Für die Besucherinnen und Besucher wird es in absehbarer Zeit keine Veränderungen geben. Bislang wurden im Gegensatz zu anderen Kinos im Revier die Ticketpreise nicht erhöht. Künftig wollen Flothkötter und sein Team über einen Ruhetag nachdenken. Aber noch ist man an 365 Tagen geöffnet: „Das ist unser Anspruch.“

Viele Kinos seien gut durch die Zeit der Corona-Förderung gekommen, aber jetzt zeigten sich Probleme, sagt Petra Rockenfeller, die den Oberhausener Lichtburg Filmpalast leitet. „Wir müssen ja ständig investieren: in eine gute Technik, guten Ton, ein gutes Sitzgefühl.“ Dazu kämen die gestiegenen Kosten -- sogar Zucker und Mais für Popcorn seien um ein Drittel teurer geworden. Fünf Jahre, schätzt sie inzwischen, braucht die Branche, um aus der Krise herauszukommen. Dabei sorgt sie sich vor allem um die Vielfalt. „Wenn sich nichts ändert, haben wir in zwei bis drei Jahren dreißig Prozent weniger Kinos.“

„Wir müssen uns spezialisieren“

Auch Petra Rockenfeller hat ein gesteigertes Interesse an Lesungen, Diskussionen und Workshops ausgemacht, ein Angebot, das sie gern ausbauen würde. Doch dafür sei eine feste staatliche Förderung erforderlich. „Dann wären wir unabhängig von den Schwankungen der Branche.“ Ein gutes Vorbild sei ein Programmkinostatus, wie es ihn in Frankreich gibt: Wer Kulturarbeit leiste, werde unterstützt. Rockenfeller schwebt ein „Kulturort Kino“ vor, mit einem Programm betreut von Pädagogen, wie sie auch Museen haben. „Eine Stelle für zwei, drei Kinos. Das würde das Kino lebhafter und interessanter machen.“

„Wir müssen uns spezialisieren“, sagt auch Nina Selig im Endstation.Kino. Zu einer kurdischen und einer albanischen Filmreihe kam zuletzt Publikum aus dem ganzen Ruhrgebiet nach Bochum. „Es wird künftig darum gehen, das Profil zu schärfen. Am besten durch Sonderveranstaltungen, optimal als Kooperationen mit anderen Trägern.“

Sie hat die beiden Kassenschlager noch nicht im Programm, bevor die kleinen Kinos „Barbie“ und „Oppenheimer“ zeigen dürfen, sind die größeren Häuser dran. Aber ab 25. August wird Greta Gerwigs Superpuppe endlich auch in Bochum-Langendreer Einzug halten. Aktuell ein Garant für steilen Aufwind.

>>> Abschied vom Kellerkino „Souterrain“ in Düsseldorf <<<

Erste Vorstellungen fanden in den 70ern statt, 2025 wäre das Souterrain in Düsseldorf 50 Jahre geworden. Kalle Somnitz hätte das Jubiläum gern gefeiert – doch seit Juli ist das Kellerkino im Café Muggel geschlossen. Als letzter Film lief „No Country For Old Men“ von den Coen-Brüdern vor einem mit 60 Menschen ausverkauften Saal.

Nach dem Defizit des ersten Halbjahres habe man die Reißleine gezogen, teilt Somnitz auf der Homepage der Düsseldorfer Filmkunstkinos mit. Zwar hätte er das Souterrain weiter als Teil der Kino-GmbH betreiben können, wie er sagt. Aber das Café will den Saal künftig für Büros und einen Gastraum nutzen.

Momentan würden die Zahlen dank „Oppenheimer“ und „Barbie“ neu geschrieben, freut sich Somnitz: „Man braucht einen starken Film, das reicht.“