Essen. Lektüre (nicht nur) für Fußball-Fans: Das große Kapital von Frank Goosens jetzt erscheinendem Kicker-Roman „Spiel ab!“ ist seine Echtheit im Ton.
Mit dem großen Fußball-Roman, der den Sport selbst, das Geschehen auf dem Rasen in den Mittelpunkt stellt, ist es wie mit dem lange Jahre eingeforderten großen Roman zur Wende, zur deutschen Einheit: Es gibt ihn nicht. Jedenfalls nicht in Gelungen. Die wenigen guten Fußball-Romane nähern sich, wie Nick Hornbys „Fever Pitch“, dem Kick von der Außenlinie: Da geht es um die Rolle von Fußball im Leben der Fans oder, wie in der „Nordkurve“ von Michael Klaus und Adolf Winkelmann, um den Mikrokosmos Verein.
Vielleicht liegt solchen Ausweichmanövern und erzähltechnischen Übersteigern auch die Einsicht zugrunde, dass der Fußball selbst eigentlich schon ein perfektes Drama ist und eine ästhetische Überhöhung in Romanform gar nicht mehr nötig hat, die verglichen mit dem eigentlichen Geschehen auf dem Platz nur ein Abklatsch sein kann. Wer an das episch große Finale der jüngsten Fußball-Weltmeisterschaft denkt, ahnt schon, wie leicht jeder Versuch, daraus einen Erzählstoff zu machen, ins Abseits geraten würde.
Bei Frank Goosen taugt der Fußballer zum Romanheld
Ein Fußballer als Romanheld? Es werden doch beinahe jeden Tag neue Helden auf dem Platz geboren. Und ob sich Bundesliga-Begegnungen wirklich dazu eignen, junge Männer wie in einem Roman zu Stützen der Gesellschaft reifen zu lassen (oder zum Gegenteil), daran sät gerade heutzutage das Verhalten der real existierenden Spieler immer größere Zweifel. Wer sich von ihnen als durch und durch verantwortungsbewusste Persönlichkeit zeigt, wäre es sicher auch ohne den Fußball geworden.
In der kleinen Form dagegen funktioniert der Fußball ganz gut. Eduardo Galeanos „Der Ball ist rund und die Tore lauern überall“ besteht aus lauter kleinen Anekdoten, Erzählungen, Erinnerungen. Und auch Frank Goosen hat sich des Fußballs schon einmal in diesem Dribbel-Modus angenommen, in dem Geschichten-Band „Weil Samstag ist“.
Frank Goosen – bekennender Fußball-Fan
Nun aber legt Frank Goosen, der bekennende Fußball-Fan aus Bochum, dann doch einen Kicker-Roman vor: „Spiel ab!“ Und der Titel führt gleich ins Zentrum des Buchs: Kein Satz fällt beim Jugendfußball häufiger als dieser Imperativ – denn eigentlich wollen die kleinen Goretzkas, Sanés und Musialas den Ball immer für sich haben, wollen ein Tor machen und überhaupt nicht gerne abspielen. Es ist wohl genau dieser unbefangene, naive, ja, kindliche Zugang, der den Jugendfußball so attraktiv macht. Nicht für alle Zuschauer. Aber für die Eltern am Spielfeldrand, wo jedes Wochenende Zehntausende von ihnen stehen und mitfiebern auf eine Art, die sich die meisten im Stadion längst abgewöhnt haben.
Personal in „Spiel ab!“ deckungsgleich mit früheren Goosen-Romanen
„Spiel ab!“ setzt in gewisser Weise die Romane „Förster, mein Förster“ und „Kein Wunder“ fort, das Personal ist jedenfalls weitgehend deckungsgleich. Da wächst eine Fußballmannschaft Spiel um Spiel zusammen (um am Ende der Saison, wie üblich, wieder ein bisschen auseinanderzufallen), da werden drei Männer – Fränge, Förster und Brocki – zu beherzten Trainern dieses Teams, führen es durch den Abstiegskampf und sind am Ende fast ebenso ein großes Stück gereift wie die kickenden, dribbelnden, fehlpassenden Jungs auf dem Platz.
Der Reiz dieses Romans liegt in den Geschichten drumherum – und in seiner Authentizität. In jeder Zeile (und dazwischen auch) ist zu spüren, dass Frank Goosen, der vier Jahre lang Jugend-Teams seiner Söhne bei der DJK Arminia Bochum 1926 trainiert hat, aus Erfahrung schreibt. Die Details, das werden die Zehntausenden vom Spielfeldrand bestätigen, sind absolut stimmig. Bis hinein in die Wörter, die Sprüche und Ansprachen, die Flüche und die Siegersätze. Und die großen Dinge wie die Integrationsmaschine Fußball und die rassistischen Sandkörner darin, die stimmen auch: Die Helden haben Schwächen, und die Schwachen wachsen über sich hinaus. Und der Fußball? Naja, wird halt gespielt. Entscheidend is aufm Platz. Aber an der Außenlinie eben auch. Und im wirklichen Leben sowieso.
Buch und Hörbuch
Frank Goosen: Spiel ab! Roman. Kiepenheuer & Witsch, 336 Seiten, 23 Euro.
Auch als E-Book (19,99 Euro). Und als Hörbuch in der ungekürzten Lesung durch den Autor: tacheles!/Roof Music, MP3-Format, 6:50 Stunden, ca. 22 Euro.