Essen-Rüttenscheid. . Frank Goosen hat sein neues Buch „Kein Wunder“ im Kabü Rüttenscheid präsentiert. Und seine Zuhörer fast dazu gebracht, Hannes Wader anzustimmen.

Ein Gefühl zwischen Ostalgie und Alt-68er-Revolutionsgeist ist greifbar, an diesem Donnerstagabend im Kabü. Ruhrgebiets-Autor Frank Goosen ist der erste Gast der neuen Lese-Reihe „Wortkunst“ und liest aus seinem neuen Buch „Kein Wunder“. Darin erzählt er die Geschichte dreier Bochumer Freunde, die 1989 die Liebe und die Wende in Berlin erleben: Hannes-Wader-Lieder singend und den Kern der Freiheit diskutierend.

Ausgerechnet Goosen, bei dem der Westen tief in seiner DNA verankert ist, begibt sich auf eine Reise in den Osten - und die Vergangenheit. „Der Mauerfall war eines der prägenden Ereignisse meiner Generation. Ich wollte mich intensiver damit befassen“, erklärt der Autor im Anschluss an die Lesung bei einem alkoholfreien Stauder („Ich muss noch fahren. Und sagt Fiege nichts davon“).

Autor verschlief den Mauerfall im November 1989

Tatsächlich habe er den Mauerfall im November 1989 verpennt. „Ich bin damals leider bei einem Videofilm eingeschlafen und habe es morgens durch meinen Radiowecker gehört. Richtig realisiert habe ich es aber erst, als ich den Fernseher eingeschaltet habe“, erinnert sich Goosen. Wenig später reiste er selbst nach Berlin: „Ich werde nie das Bild von einigen Vietnamesen an der Mauer vergessen, die palettenweise Cola, Fanta und Sprite verkauft haben“, sagt Goosen, der ein vereinigtes Deutschland damals nicht für möglich gehalten hätte.

„Da war in meiner Generation eine gesunde Skepsis, ob das gut gehen kann. An die blühenden Landschaften, die Kohl versprach, haben wir nicht geglaubt“, gibt Goosen zu. Diesen Zeitgeist aus Ablehnung und Aufbruch fängt er leichtfüßig in „Kein Wunder“ ein. Es ist erst das zweite Mal, dass er aus seinem neuen Buch vor Publikum liest, neben ihm ein Deko-Schlagbaum, vor ihm ein Ost-Juwel-Gaskocher.

Geschichten aus der Mokka-Milch-Eisbar

Drei Stunden lang nimmt Goosen die rund 40 Zuhörer mit in seine Geschichte, wechselt Berliner Dialekt und Ruhrpott-Slang spielend und dreht die Zeit um drei Jahrzehnte zurück. Zwischendurch gibt er Einblicke in die Entstehung des Buches, erzählt etwa von seinem Kumpel in Berlin, von dem er viel über das Lebensgefühl in der DDR gelernt habe. „Die Mokka-Milch-Eisbar aus dem Buch gab es wirklich. Ebenso wie den Schlager, der da lief“, sagt Goosen und hält zum Beweis eine Schallplatte des Ost-Sängers Thomas Natschinski hoch.

Viele Zuhörer lächeln, als sie das Kabü verlassen. „Das ist meine Generation, er beschreibt, wie wir damals gefühlt und was wir diskutiert haben“, sagt etwa Petra Ostermann, die an der Rü die Papeterie Petersen betreibt.

Mit „Kein Wunder“ hat Goosen auch selbst ein Stück weit politische Vergangenheit aufgearbeitet: „Schreiben ist aufräumen im Kopf“, sagt er während der Lesung einmal. Ihm zuzuhören, ist nach Hause kommen für die Ohren.

„Kein Wunder“ erscheint am Donnerstag, 14. Februar, im Verlag Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-462-05254-1