Essen. Chansonnier Reinhard Mey feiert seinen 80. Geburtstag. Mit seiner Musik ist er aber längst zeitloses Kulturgut geworden. Eine Rückschau.

Wind Nord-Ost, Startbahn null-drei. Es mag so etwas wie ein deutscher Reflex sein, auf diesen Satz unwillkürlich wahlweise „Bis hier hör‘ ich die Motoren“ zu murmeln oder gleich inbrünstig „Über den Wolken“ zu singen. Das Lied kann getrost als das berühmteste von Reinhard Mey bezeichnet werden, doch der Liedermacher hat der deutschsprachigen Welt noch so viel mehr unvergessliche Musikstücke geschenkt.

Heute wird der „Poet des Alltäglichen“, wie die Süddeutsche Zeitung in einmal nannte, 80 Jahre alt. 1942 in Berlin geboren, veröffentlichte er 1964 sein erstes Chanson „Ich wollte wie Orpheus singen“. Wie in beinahe allen seinen Schöpfungen gelang es Reinhard Mey schon damals, große Gefühle in kleine Worte zu verpacken: „Meine Lieder sing’ ich Dir / Von Liebe und Ewigkeit / Und zum Dank teilst Du mit mir / Meine Mittelmäßigkeit“.

Reinhard Mey seziert in seinen Liedern das Leben

Sicher, die Liebe ist im deutschen Liedgut so viel besungen worden wie keine andere Regung. Trotzdem sticht Reinhard Mey heraus, wenn er über die Liebe zu seinen Frauen, seinen Kindern, dem Leben singt – eben weil er es so unspektakulär tut, mit Worten des Alltags, und ohne viel Pathos. Im Lied „Wie vor Jahr und Tag“ erzählt er vom Wachsen in und mit einer Beziehung, der Song „Mein Achtel Lorbeerblatt“ ist eine Hymne ans Selbstvertrauen und ein Appell, die anderen ruhig mal reden zu lassen, „Ich bin aus jenem Holze geschnitzt“ seziert Meys eigene Unzulänglichkeiten und deren Vorteile – wie so oft mit simplen Sprachbildern und zum Niederknien schön.

Immer wie Orpheus gesungen: Reinhard Mey bei einem Konzert 1995.
Immer wie Orpheus gesungen: Reinhard Mey bei einem Konzert 1995. © epd | akg-images / Niklaus Stauss

Ein Heile-Welt-Sänger war Reinhard Mey nie, auch wenn ihm das zu Beginn seiner Karriere ausgerechnet aus der linken Ecke vorgeworfen wurde. Das Stück „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“ macht Meys Gefühlen gegenüber dem Militär Luft, in „Wie ein Baum, den man fällt“ nähert er sich ungeschönt dem Tod, der Angst davor und seiner Unausweichlichkeit.

Reinhard Mey: integer und vorbildlich

Sich und seine Familie betrachtet Reinhard Mey besonders gerne. Das Album „Mairegen“ von 2010 beschäftigt sich in großen Teilen mit Meys Sohn Maximilian, der zuvor ins Wachkoma gefallen war und 2014 starb. 80 Zeitungszeilen sind zu wenig für 80 Jahre, von denen Reinhard Mey den größten Teil mit Musik verbracht hat. Er machte Karriere in Frankreich, arbeitete mit befreundeten Künstlern.

Leidenschaftlicher Pilot war er auch, integer und vorbildlich obendrauf – schon vor über zehn Jahren gab er seine Pilotenlizenz ab, aus Altersgründen. Trotz all dieser Erfolge hat Reinhard Mey nie große Reden geschwungen – und ist deshalb vielleicht unter dem Radar geflogen. So sei jedem Musikfan nahegelegt, einfach mal eine alte Mey-Platte herauszukramen und aufzulegen. Gute Nacht, Freunde.