Moers. Das Schlosstheater Moers bringt Jack Londons „Der Ruf der Wildnis“ auf die Bühne. Das Stück bringt die Vorlage auf spannend Art in die Gegenwart.
In seinem berühmten Roman „Der Ruf der Wildnis“ erzählt Jack London aus der Sicht des Hundes Buck vom Leben zur Zeit des Goldrausches Ende des 19. Jahrhunderts in Alaska. Buck wird vom Anwesen seines Besitzers in Kalifornien entführt und als Schlittenhund nach Alaska verkauft. Der Vierbeiner, für den das harmonische Miteinander von Hund und Mensch bisher die natürliche, gleichsam gottgewollte Ordnung war, lernt eine andere Ordnung der Natur kennen.
Er wird brutal abgerichtet, auf bedingungsloses Funktionieren getrimmt, muss erkennen, dass das Recht auf Seiten der Gewalt liegt und er sich entscheiden muss, ob er künftig Hammer oder Amboss sein will. Nach vielen Abenteuern mit wechselnden Schlittenführern und nach dem Tod von John Thornton, seines ersten echten Freundes und Partners, folgt Buck, nunmehr ohne jegliche emotionale Bindung an den Menschen, endgültig dem immer stärker gewordenen Ruf der Wildnis und schließt sich seinen wölfischen Vorfahren an.
Keine Naturverklärung im Theaterstück
Viola Köster, die am Schlosstheater Londons Roman in der Bühnenbearbeitung von Soeren Voima (ein Sammel-Pseudonym der Regisseure/Schauspieler Robert Schuster und Christian Tschirner) eingerichtet hat, lässt jugendorientierte Abenteuerromantik gar nicht erst aufkommen; Naturverklärung findet nicht statt. Wenn Roman Mucha und Matthias Heße, deren schwarze Anzüge sie als dominante Männer ausweisen und deren darunter angelegte Schlitten-Geschirre sie zugleich dem Hunde-Proletariat zuordnen, in ihrer Hütte besessen wetteifernd Kieselsteine mit Buntpapier vergolden, dann weiß man von Anfang an: es geht um Gier.
Die beiden wieder großartig aufgelegten Darsteller, die das gesamte Personarium des Romans verkörpern, erstarren in Angriffshaltung, belauern sich, fletschen die Zähne, winseln und wüten, tanzen auch schon mal zu Kurt Weills „Alabama“-Song (eine treffende Anspielung auf Brechts „Mahagonny“), und mit jedem Bild, mit jedem Fortschreiten der Geschichte wird klarer: Erzählt wird keine hübsche Sozialfabel, dieses Stück ist eine knallharte Parabel auf die im Verborgenen schlummernde Raubtiermentalität des Menschen. Wozu ist dieser fähig, wenn er, wie ein in die Enge getriebenes Tier, zum Kampf um Überleben und Freiheit gezwungen wird? Auf die Frage, ob und wie sich diese Metamorphose stoppen, gar rückgängig machen lässt, kann der umjubelte einstündige Abend naturgemäß keine Antwort geben.
Termine im Pulverhaus: 17. und 21.12.2022; 7., 14. und 28.1.2023. Tel. 02841-8834110