Krefeld. Im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum können Kunstfans nach Herzenslust Krach machen, mal mehr, mal weniger musikalisch: „On Air“ bietet Klang-Kunst
Im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum ist es vorbei mit andächtiger Stille. Die Ausstellung „On Air“ dort lädt nicht nur zum Lauschen ein, hier können Menschen nach Herzenslust nicht nur reden, sondern in Daniel Spoerris „Autotheater“ auch die auf drei Rollen ablaufenden Texte laut rezitieren, am besten zu dritt. Oder im „Terror-Raum“ eine gewalttätige Wandmaschine von Jean Tinguely lärmend in Bewegung setzen. In Konkurrenz zu drei „Instrumenten“ aus Günther Ueckers „Terrororchester“, dessen „Rappelobjekt“ mit Zink-Eimer wie eine nervige Schulglocke klingt. Und noch übertönt wird von Tinguelys kinderfahrradgroßer „Bing-Bing“-Maschine, die auch bei Arbeiten am Bahngleis als Warnsignal dienen könnte.
Empfangen wird das Publikum in Krefeld mit Reiner Ruthenbecks „Geräuschstück Nr.1“, das die als „Dachskulptur“ bezeichneten Sirenen erklingen lässt – allerdings nur kurz nach Eröffnung und kurz vor Schließung des Museums. Sonst würde der Alarm hier zur Dauereinrichtung. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als es ohne neue Wege und Macharten in der Kunst gar nicht ging, wurde ihr der Klang zum Material, auch weil sie die Grenzüberschreitung zur obersten Regel erhoben hatte. Wodurch auch das Verstummen vielsagend wurde, etwa mit Dutzenden Geigenbögen, die der Neurealist Arman in Polyester goss.
David Tudors „Regenwald“-Installation ist erschrecken aktuell
Erschreckend aktuell unter den 50 Werken der Schau ist die „Regenwald“-Großinstallation des Klangkünstlers David Tudor, die aus dem Jahr 1973 stammt. 20 Stationen mit vogelwilden Klangobjekten vom Grillenzirpen aus der Natur bis zu komponierten Kunst-Klängen. Das experimentierfrohe Werk der 70er-Jahre droht ein halbes Jahrhundert später zu einem freundlich-melancholischen Mahnmal zu werden.
David Tudor gehörte zu den Avantgarde-Künstlern, die in den 60er- und 70er-Jahren in den Krefelder Museen ein und aus gingen, John Cage und Merce Cunningham gehörten genauso dazu wie der Frankfurter Zero-Künstler Hermann Goepfert (dessen wunderbares, atonales Schatten-Musiktheater „Octophonium“ ebenfalls durch Betrachter in Gang gesetzt und im Blick wie in der Phantasie vollendet werden muss). Das Museum knüpft also auch mit dieser Schau (wie zuvor schon mit der „Beuys & Duchamp“- und anderen Beuys-Ausstellungen) an die Geschichte des Museums und besonders die Ära von Paul Wember an, als das Rhein-Ruhr-Land überhaupt Heimat der zeitgenössischen Avantgarde war.
Joseph Beuys und seine Drei-Stunden-Aktion „Celtic + ~~~“
Ebenfalls Stammgast in seiner Geburtsstadt war Joseph Beuys. Dessen Installation „Celtic + ~~~“ mit Filmen einer gleichnamigen Drei-Stunden-Aktion 1971 in Basel war seit 50 Jahren nicht mehr zu sehen. Nun sind die beiden Filme digitalisiert und flimmern über Röhrenbildschirme.
Aber auch die leisen Werke dieser Ausstellung haben ihren Reiz. Der als „Takis“ bekannte Panagiótis Vasilákis lässt eine dicke Nadel auf einem elektromagnetisch geladenen Draht tanzen, ein Lautsprecher wirft zarten Saitenklang aus. Die leise „atmenden“ Schaffell-Perücken von Günter Weseler, die „Ein-Ton-Musik“ von Timm Ulrichs – Scherz und Ironie kommen in dieser Ausstellung ebenfalls nicht zu kurz.